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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer
Autoren: Tess Gerritsen
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Mumien!«
    Auf dem Monitor erschienen bereits die nächsten Querschnitte, und sofort starrte alles wieder gebannt auf die Bilder des Schädels. Jetzt war zu erkennen, dass er nicht mit Gehirnmasse angefüllt war, sondern mit einem verschlungenen Gewirr, das an ein Knäuel Würmer erinnerte.
    »Das sind Leinenstreifen«, murmelte Dr. Pulcillo mit ehrfürchtigem Staunen, als sei dieser Anblick das Schönste, was sie je gesehen hatte.
    »Da ist keine Gehirnmasse zu erkennen«, bemerkte der CT-Assistent.
    »Richtig, das Gehirn wurde gewöhnlich entfernt.«
    »Stimmt es, dass die alten Ägypter der Mumie einen Haken durch die Nase geschoben und das Gehirn auf diese Weise herausgerissen haben?«, fragte der Assistent.
    »Fast. Herausreißen kann man das Gehirn eigentlich nicht, dafür ist es zu weich. Sie haben vermutlich ein Instrument benutzt, mit dem das Gehirn so lange verquirlt wurde, bis es flüssig war. Dann wurde der Leichnam mit dem Kopf nach unten gekippt, sodass das Gehirn durch die Nase herauslaufen konnte.«
    »O Mann, das ist ja abartig«, sagte der Assistent. Doch er hing gebannt an Pulcillos Lippen.
    »Der Schädel blieb dann entweder leer, oder er wurde mit Leinenstreifen ausgestopft, wie Sie es hier sehen. Und mit Weihrauch.«
    »Was ist eigentlich Weihrauch genau? Das hab ich mich schon immer gefragt.«
    »Ein aromatisches Harz. Es stammt von einem ganz bestimmten Baum, der in Afrika wächst. In der Antike wurde es hoch geschätzt.«
    »Deswegen hat also einer der drei Weisen Weihrauch nach Bethlehem mitgebracht.«
    Dr. Pulcillo nickte. »Das war damals sicherlich ein kostbares Geschenk.«
    »Okay«, sagte Dr. Brier, »wir sehen jetzt die Region unterhalb der Augenhöhlen. Da können Sie den Oberkiefer erkennen, und…« Er hielt inne und betrachtete stirnrunzelnd eine Verdichtung, die unerwartet aufgetaucht war.
    »Du lieber Himmel!«, murmelte Robinson.
    »Es ist etwas Metallisches«, erklärte Dr. Brier. »Und es befindet sich in der Mundhöhle.«
    »Es könnte sich um Blattgold handeln«, sagte Pulcillo.
    »In der griechisch-römischen Epoche wurden bisweilen Zungen aus Blattgold in den Mund der Mumie gelegt.«
    Robinson wandte sich der Fernsehkamera zu, die jede ihrer Bemerkungen aufzeichnete. »Wie es aussieht, befindet sich in der Mundhöhle ein metallischer Gegenstand. Das würde zu der vermuteten Datierung auf die griechisch-römische Periode passen…«
    »Was ist das denn nun wieder?«, rief Dr. Brier.
     
    Mauras Blick schnellte zum Monitor zurück. Im Unterkiefer der Mumie war ein helles, sternförmiges Objekt aufgetaucht – ein Anblick, der Maura die Sprache verschlug, weil so etwas in einer zweitausend Jahre alten Mumie mit Sicherheit nichts verloren hatte. Sie beugte sich weiter vor und fixierte jenes Detail, das bei einer frischen Leiche auf dem Seziertisch wohl kaum einen Kommentar wert gewesen wäre. »Ich weiß, dass das unmöglich ist«, sagte Maura leise, »aber wissen Sie, wonach das aussieht?«
    Der Radiologe nickte. »Es scheint sich um eine Zahnfüllung zu handeln.«
    Maura wandte sich an Dr. Robinson, der ebenso bestürzt schien wie alle anderen im Raum. »Ist so etwas irgendwann schon einmal bei einer ägyptischen Mumie beschrieben worden?«, fragte sie. »Zahnreparaturen aus antiker Zeit, die mit modernen Füllungen verwechselt werden könnten?«
    Er schüttelte den Kopf, die Augen vor Staunen weit aufgerissen. »Nein, aber das heißt nicht, dass die Ägypter zu so etwas nicht in der Lage gewesen wären. Ihre Medizin war die fortschrittlichste der antiken Welt.« Er sah seine Kollegin an. »Josephine, was kannst du uns darüber sagen? Das ist doch dein Gebiet.«
    Dr. Pulcillo tat sich sichtlich schwer, die Frage zu beantworten. »Es … es gibt medizinische Papyri aus dem Alten Reich«, sagte sie. »Darin wird beschrieben, wie man lose Zähne fixiert und Brücken anfertigt. Und es gab einen Heilkundigen, der berühmt war für die künstlichen Zähne, die er anfertigte. Wir wissen also, dass sie auf dem Gebiet der Zahnheilkunde sehr erfinderisch waren. Sie waren ihrer Zeit weit voraus.«
    »Aber haben sie jemals soIche Reparaturen durchgeführt?«, fragte Maura und deutete auf den Bildschirm.
    Dr. Pulcillo richtete ihren verstörten Blick wieder auf das Röntgenbild. »Wenn ja«, antwortete sie leise, »dann ist es mir noch nicht untergekommen.«
     
    Auf dem Monitor erschienen neue Bilder, alles Grau in Grau, der Körper in Scheiben zerlegt wie mit einem Brotmesser. Aus
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