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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer
Autoren: Tess Gerritsen
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Simon anrufen«, sagte Pulcillo. »Er wartet wahrscheinlich direkt neben dem Telefon.«
    »Oje, das hatte ich völlig vergessen.« Robinson zog sein Handy aus der Tasche und rief seinen Chef an. »Simon, raten Sie mal, was ich mir gerade anschaue? – Ja, sie ist einfach hinreißend. Und außerdem sind wir noch auf ein paar Überraschungen gestoßen; die Pressekonferenz dürfte also …« Plötzlich verstummte er, den Blick starr auf den Monitor gerichtet.
    »Was zum Teufel ist das?«, platzte der Assistent heraus. Das Bild, das da gerade über den Monitor flimmerte, war so unerwartet, dass es schlagartig totenstill im Raum wurde. Hätte eine lebende Patientin auf dem CT-Tisch gelegen, Maura hätte keine Mühe gehabt, den kleinen metallischen Gegenstand zu identifizieren, der in die Wade eingebettet war – ein Objekt, das den schlanken Schaft des Wadenbeins zerschmettert hatte. Aber dieses Stück Metall hatte in Madam X’ Bein nichts verloren.
    Ein Projektil gehörte nicht in Madam X’ Jahrtausend.
    »Ist das wirklich das, wofür ich es halte?«, fragte der Assistent.
    Robinson schüttelte den Kopf. »Es muss eine postmortale Verletzung sein. Was könnte es sonst sein?«
    »Zweitausend Jahre nach dem Tod?«
    »Ich … ich rufe Sie später noch einmal an, Simon.« Robinson beendete das Gespräch, wandte sich an den Kameramann und forderte ihn auf: »Schalten Sie sie aus. Bitte, schalten Sie sie auf der Stelle aus.« Er atmete tief durch.
    »Okay. Also gut, lassen … lassen Sie uns logisch an die Sache herangehen.« Er richtete sich auf und schien seine Selbstsicherheit zurückzugewinnen, als ihm eine einleuchtende Erklärung einfiel. »Mumien wurden häufig von Souvenirjägern missbraucht oder beschädigt. Offensichtlich hat irgendjemand eine Kugel auf diese Mumie abgefeuert. Und später hat ein Konservator diesen Schaden zu beheben versucht, indem er sie neu einwickelte. Deshalb haben wir in den Binden kein Einschussloch gesehen.«
    »So hat es sich nicht zugetragen«, ließ sich Maura vernehmen.
    Robinson blinzelte. »Wie meinen Sie das? Das muss doch die Erklärung sein.«
    »Diese Beinverletzung ist nicht postmortal. Sie wurde der Frau zugefügt, als sie noch lebte.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Ich fürchte, Dr. Isles hat recht«, sagte der Radiologe. Er sah Maura an. »Sie sprechen von dem Ansatz einer Kallusbildung um die Bruchstelle herum?«
    »Was bedeutet das?«, fragte Robinson. »Kallusbildung?«
    »Es bedeutet, dass der gebrochene Knochen schon zu verheilen begonnen hatte, als diese Frau starb. Sie hat nach der Verletzung noch mindestens einige Wochen gelebt.«
    Maura wandte sich an den Kurator. »Woher stammt diese Mumie?«
    Robinsons Brille war ihm wieder heruntergerutscht, und er starrte über die Gläser hinweg, als sei er von dem, was er da im Bein der Mumie schimmern sah, hypnotisiert.
    Es war Dr. Pulcillo, die die Frage beantwortete, mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. »Sie lag im Museumskeller. Nick – Dr. Robinson hat sie im Januar entdeckt.«
    »Und wie hat das Museum sie erworben?«
    Pulcillo schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht.«
    »Es muss doch Unterlagen geben. Irgendetwas in Ihren Akten, woraus hervorgeht, woher sie stammte.«
    »Über sie gibt es rein gar nichts«, sagte Robinson, der endlich seine Stimme wieder gefunden hatte. »Das Crispin Museum ist hundert dreißig Jahre alt, und viele Unterlagen fehlen. Wir haben keine Ahnung, wie lange sie im Keller gelagert war.«
    »Wie haben Sie sie gefunden?«
    Obwohl der Raum klimatisiert war, standen Schweißperlen auf Dr. Robinsons blassem Gesicht. »Nachdem ich vor drei Jahren meine Stelle angetreten hatte, begann ich, den Bestand zu inventarisieren. So bin ich schließlich auf sie gestoßen. Sie lag in einer nicht beschrifteten Kiste.«
    »Und das hat Sie gar nicht gewundert? So etwas Seltenes wie eine ägyptische Mumie in einer unbeschrifteten Kiste zu finden?«
    »Aber Mumien sind gar nicht so selten. Im 19. Jahrhundert konnte man sie in Ägypten für fünf Dollar das Stück kaufen, und so brachten amerikanische Touristen sie zu Hunderten als Souvenirs nach Hause. Sie tauchen immer wieder auf Dachböden oder in Antiquitätenläden auf. Ein Monstrositätenkabinett in Niagara Falls behauptet sogar, Pharao Ramses I. in seiner Sammlung gehabt zu haben. Es ist also gar nicht so überraschend, dass wir in unserem Museum auf eine Mumie gestoßen sind.«
    »Dr. Isles?«, sagte der Radiologe. »Wir haben jetzt die
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