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Grabkammer

Grabkammer

Titel: Grabkammer
Autoren: Tess Gerritsen
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ihr Blickfeld verirrte, die Aufmerksamkeit der Meute auf sich ziehen konnte, und heute Abend fühlte sie sich ohnehin schon schutzlos und emotional angeschlagen. Sie spielte mit dem Gedanken, dem Gedränge zu entfliehen und wieder in ihren Wagen zu steigen. Doch alles, was sie stattdessen erwartete, waren ein stilles Haus und vielleicht ein paar Gläser Wein zu viel, die ihr Gesellschaft zu leisten hatten, wenn Daniel Brophy es nicht konnte. Und in letzter Zeit gab es viel zu viele soIcher Abende. Aber das war es nun einmal, was sie sich eingehandelt hatte, als sie sich in ihn verliebte. Das Herz trifft seine Entscheidungen, ohne die Konsequenzen abzuwägen. Es schaut nicht voraus zu den einsamen Nächten, die unweigerlich folgen.
    Die Rolltrage mit Madam X wurde ins Krankenhaus geschoben, und das Wolfsrudel der Reporter jagte ihr nach. Durch die Glastür sah Maura die hell erleuchtete Eingangshalle und die erregten Gesichter, während sie allein draußen auf dem Parkplatz stand.
    Sie folgte der Entourage in das Gebäude.
    Die Trage rollte durch die Eingangshalle, verfolgt von den verblüfften Blicken der Besucher, vorbei an aufgeregten Schwestern und Pflegern, die mit ihren Fotohandys auf der Lauer lagen, um sich einen Schnappschuss zu sichern. Die Parade zog weiter und bog in den Flur ein, der zur Bilddiagnostik führte. Aber an der nächsten Zwischentür wurde nur die Rolltrage durchgelassen. Ein Krawattenträger von der Krankenhausverwaltung trat vor und versperrte den Reportern den Weg.
    »An dieser Stelle müssen Sie leider umkehren«, sagte er.
    »Ich weiß, Sie würden alle zu gerne dabei sein, aber der Raum ist sehr klein.« Er hob die Hände, um das enttäuschte Gemurmel zum Verstummen zu bringen. »Mein Name ist Phil Lord.
    Ich bin der Öffentlichkeitsreferent des Pilgrim Hospital, und wir freuen uns sehr, an dieser Untersuchung mitwirken zu dürfen. Eine Patientin wie Madam X wird schließlich nur alle – nun, sagen wir alle zweitausend Jahre eingeliefert.« Er lächelte, als ihm die erwartete Heiterkeit entgegenschlug. »Das CT wird nicht lange dauern; wenn Sie sich also ein wenig gedulden möchten, wird einer der Archäologen gleich im Anschluss herauskommen und die Ergebnisse bekannt geben.« Er wandte sich zu einem blassen Mann von ungefähr vierzig Jahren um, der sich in eine Ecke zurückgezogen hatte, als hoffte er, dort nicht bemerkt zu werden. »Dr. Robinson, möchten Sie vielleicht ein paar Worte sagen, bevor wir loslegen?«
    Zu dieser Menge zu sprechen, war ganz offensichtlich das Letzte, wonach dem bebrillten Mann der Sinn stand, doch er holte tief Luft und trat tapfer ein paar Schritte vor, wobei er seine Brille hochschob, die ihm auf die Nasenspitze gerutscht war. Dieser Archäologe hatte so gar nichts von einem Indiana Jones an sich. Mit seiner hohen Stirn und seinem verkniffenen Silberblick wirkte er eher wie ein Buchhalter, der gegen seinen Willen ins Rampenlicht gezerrt wurde. »Mein Name ist Dr. Nicholas Robinson«, begann er. »Ich bin Kurator am…«
    »Könnten Sie etwas lauter sprechen, Dr. Robinson?«, rief einer der Reporter.
    »Oh, Verzeihung.« Dr. Robinson räusperte sich. »Ich bin Kurator am Crispin Museum hier in Boston. Wir sind unendlich dankbar, dass das Pilgrim Hospital uns so bereitwillig angeboten hat, die Computertomographie von Madam X hier durchzuführen. Dies ist eine ganz außergewöhnliche Gelegenheit, einen gründlichen Einblick in die Vergangenheit zu gewinnen, und wenn ich diesen Andrang hier sehe, kann ich nur annehmen, dass Sie alle ebenso aufgeregt sind wie wir. Meine Kollegin Dr. Josephine Pulcillo, die Ägyptologin ist, wird herauskommen und zu Ihnen sprechen, wenn das CT abgeschlossen ist. Sie wird dann die Resultate bekannt geben und Ihre Fragen beantworten.«
    »Wann wird Madam X öffentlich ausgestellt?«, rief ein Reporter.
    »Noch in dieser Woche, denke ich«, antwortete Robinson. »Der neue Ausstellungsbereich ist schon fertig, und …«
    »Irgendwelche Hinweise auf ihre Identität?«
    »Warum ist sie bisher nicht ausgestellt worden?«
    »Könnte es sich um ein Mitglied der Königsfamilie handeln?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Robinson und blinzelte heftig unter dem Sperrfeuer von Fragen. »Zuerst einmal müssen wir klären, ob es sich tatsächlich um eine weibliche Mumie handelt.«
    »Sie haben sie vor einem halben Jahr gefunden, und Sie kennen noch immer nicht ihr Geschlecht?«
    »Diese Untersuchungen sind sehr zeitaufwendig.«
    »Ein
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