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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel
Autoren: Alexandra Beverfjord
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nicht zur Debatte gestanden. Er war gegen die Wehrpflicht und hielt den Zivildienst nur für ein Druckmittel, um den Militärdienst zu erhalten. Seine Prinzipien hatten ihm eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung eingebracht. Dreißig Tage lang hatte er in der Justizvollzugsanstalt Hof Paletten vernageln müssen.
    Seine Mutter erzählte von einer anderen Nachbarin, die Drillinge erwartete, von dem Kindergarten, der aufgrund eines Wasserschadens schließen musste, und vom Inneneinrichtungsgeschäft in Flaskebekk, das Konkurs hatte anmelden müssen.
    Â»Die Leute hier draußen sind zu alternativ. Sie mögen kein Geld für teures Design ausgeben, ein Gebrauchtwarenladen würde vermutlich besser laufen«, meinte sie. Dann hielt sie inne, als wäre sie ihres eigenen Geredes müde. »Erzähl mir von dem Mordfall«, bat sie.
    Â»Ich weiß im Grunde genommen nicht mehr als das, was ich geschrieben habe.«
    Â»Aber sie hatte einen Exfreund?«
    Â»Ja, sie hatte einen Exfreund, aber ich bin mir nicht sicher, dass er es war. Ein junger Mann, eine junge Frau, beide Studenten der Handelshochschule.«
    Â»Du würdest dich im Dunkeln fürchten, wenn ich dir erzählen würde, wessen Ehefrauen in unsere Einrichtung kommen«, antwortete seine Mutter. Sie schenkte sich Rotwein nach. »Doch wie dem auch sei, es ist gut, dass du darüber schreibst. Das darf nicht totgeschwiegen werden.«
    Joakim nickte. Es war kein Zufall, dass er sich für diesen Job entschieden hatte. Es gab zwei Dinge, die ihn wirklich antrieben: der Wille, die Machthaber zu überwachen, und der Wunsch, den Schwächsten in der Gesellschaft eine Stimme zu geben.
    Joakim wusste, dass seine Mutter es am liebsten gesehen hätte, wenn er sein Jurastudium abgeschlossen hätte. Doch drei Jahre waren genug gewesen, es hatte ihm gereicht. Er mochte das Fach, aber die Leute nicht. Die meisten hatten sich für Jura entschieden, weil dieses Studium Status versprach, weil man damit gut Geld machen konnte oder weil sie familiär vorbelastet waren. Nur den wenigsten ging es um große gesellschaftliche Fragen. Dazu waren seine Kommilitonen zu geldgeil oder zu gleichgültig gewesen.
    Joakim war direkt vom Studium in ein Sommerpraktikum bei Dagbladet gerutscht. Einen Großteil des Praktikums hatte er mit der Berichterstattung über einen makabren Doppelmord an einem Ehepaar in Oslo zugebracht. Er war seinen Konkurrenten immer eine Nasenlänge voraus gewesen. Sein Chef war der Meinung, dass Joakim mit einer »ungewöhnlichen Spürnase« gesegnet sei, da er als frisch gebackener Journalist keine etablierten Quellen hatte, derer er sich bedienen konnte. Er nahm Witterung auf, fand eine Spur und hängte sich rein. Der Täter war ein Psychopath gewesen, der die Leichen mit einer Axt zerstückelt hatte. Seine Geisteskrankheit hatte ihn vor dem Gefängnis bewahrt.
    Joakim schloss eine große Artikelserie über gefährliche Psychiatriepatienten an. Am dritten Tag der Artikelserie kontaktierte ihn der Gesundheitsminister und versprach beträchtliche Zusatzmittel für die Psychiatrie. Da begriff Joakim, dass er seinen Platz gefunden hatte. Als Jurist hätte er nie so etwas bewirken können. Im Anschluss an das Praktikum hatten ihm Dagbladet, VG und Nyhetsavisen einen festen Job angeboten. Er hatte sich für Nyhetsavisen entschieden, weil diese Zeitung den besten Ruf hatte, was die Recherche betraf.
    Nach dem Essen legte Joakim sich aufs Sofa. Da das Haus seiner Mutter so nah am Wald lag, wurde es abends früh dunkel. Iben lächelte ihn von dem großen Bild an der Wand an. Ein halbes Jahr nach der Sache mit Iben war alles in die Brüche gegangen. Joakim war elf Jahre alt gewesen. Eines Sonntags war er durch einen furchtbaren Krach unten im Haus erwacht. Er war die Treppe nach unten geschlichen. Seine Eltern schrien sich an, verweint, verzweifelt und hoffnungslos. Der Fußboden in der Küche war mit Glasscherben übersät. Die Mutter hatte in ihrer Verzweiflung jedes Glas zerbrochen, das in den Regalen stand.
    Â»Ich kann nicht mehr, Ellen, hörst du?«
    Die Stimme des Vaters schnitt in Joakims Ohren.
    Â»Papa, gehst du weg?«, hatte er gefragt, als ihm aufgefallen war, dass der Vater schon angezogen war und sein fertig gepackter Koffer neben ihm stand.
    Er bekam keine Antwort. Joakims Vater war nicht länger sein Papa. Jan Jarner drehte seinem Sohn
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