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Grabesdunkel

Grabesdunkel

Titel: Grabesdunkel
Autoren: Alexandra Beverfjord
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den Rücken zu und ging. Joakim blieb wie erstarrt auf der Stelle stehen. Erst als er hörte, wie das Auto draußen startete, war er in der Lage zu reagieren. Der Junge lief nur mit einer Unterhose bekleidet hinaus. Der Vater gab Gas, und das Auto schoss davon. Joakim lief hinterher, rannte ihm nach, während er schrie: »Papa, Papa, bleib stehen!«
    Schon bald hatte Joakim das Auto aus den Augen verloren, doch er konnte nicht aufhören zu laufen. Wie lange er gelaufen war, wusste er nicht, doch schließlich hatte ein Polizeiauto ihn aufgesammelt. Der Polizist musste den fast nackten Jungen mit aller Kraft festhalten. Auf dem Weg zurück zu seiner Mutter hatte Joakim sich auf dem Rücksitz des Autos zusammengerollt, während er leise vor sich hin weinte.
    Er hatte seinen Vater nie wiedergesehen. Eine Familie, die einmal aus vier Menschen bestanden hatte, war jäh auf zwei Personen reduziert worden.
    Joakim sah wieder zum Bild seiner Schwester hinüber. Einmal hatte er jede Linie in ihrem Gesicht gekannt, doch jetzt kam sie ihm fremd vor. Iben, vor vielen Jahren, festgefroren in einer Hundertstelsekunde. Keine Mimik, keine scherzhaften Kommentare, keine kleinen, warmen Hände mehr, die fest die Hand des Bruders umklammerten, wenn die Nächte dunkel waren und die Gespenster kamen. Kein Leben, nur noch ein Gesicht.
    Seine Mutter beobachtete ihn, während er das Bild studierte. Als er sie ansah, wich sie seinem Blick aus.
    Sie konnten über alles reden.
    Ãœber alles, nur nicht über Iben.

Kapitel 7
Dienstag, 3. Mai
    In einem mondänen Mietshaus in Frogner wachte in der Morgendämmerung eine Frau vom Klingeln ihres Handys auf. In dem Haus wohnten ansonsten ältere und rechtschaffene Menschen, und die wenigsten wussten, wer die Frau in der dritten Etage war. Ab und zu sahen sie ihren Schatten, wenn sie die Treppe hinaufeilte, hörten das Klappern ihrer Absätze oder rochen den Duft eines exklusiven Parfüms, der noch im Treppenhaus hing. Doch Veronica Eple kam meistens erst nach Hause, wenn die anderen Nachbarn bereits schlummerten, und schlich sich hinaus, wenn sie ihr Mittagsschläfchen hielten.
    Veronicas Schlafzimmer war dunkel. Nur das Handy auf dem Nachttisch leuchtete. Sie vergrub ihr Gesicht im Seidenlaken. Ihre Wimperntusche zeichnete schwarze Streifen auf den Stoff. Dann hob sie den Kopf, streckte die Hand nach dem Handy aus und las die SMS. Ihr Chef hatte sie vor mehreren Stunden geschrieben. Demnach hatte nicht die SMS sie geweckt, sondern der Signalton, der ankündigte, dass das Handy bald keinen Strom mehr haben würde. »Was wirst du tun?«, stand auf dem Display. Sie warf die Decke weg, spürte die Übelkeit kommen. Als Nächstes hörte sie die Klingel. Sie hallte im Zimmer wider, und sie wusste sofort, wer es war.
    Â»Warum zum Teufel antwortest du nicht auf meine SMS?«, fauchte er, als sie nach dem Hörer der Gegensprechanlage griff.
    Sie wagte nicht zu antworten, sondern öffnete ihm die Haustür.
    Er sah anders aus als sonst. Die eng stehenden Augen waren schmal vor Wut, das drahtige braune Haar war ungekämmt, und statt Hemd und Schlips trug er einen schwarzen Pullover. Er stürzte in die Wohnung. Sie wich an die Dielenwand zurück, versuchte, sich so klein wie möglich zu machen.
    Â»Wo warst du?«, stotterte sie.
    Â»Im Ausland«, antwortete er. Er blieb stehen und machte keine Anstalten, sich hinzusetzen. Dafür schien er zu aufgebracht. »Was hat das zu bedeuten, Veronica? Ich habe es erst erfahren, als ich in Gardermoen gelandet bin. Das ist der reinste Wahnsinn, hörst du?«
    Â»Ich habe versucht, dich anzurufen, aber dein Handy war ausgeschaltet. Ich weiß echt nicht, was wir machen sollen. Ich hab so eine Angst. Die Polizei kann jederzeit auftauchen.«
    Â»Du musst dich darum kümmern. Das dürfte selbst dir klar sein.« Er stand direkt vor ihr, und sie spürte die feinen Speicheltröpfchen.
    Â»Natürlich kümmere ich mich darum.«
    Â»Und du musst alle Spuren verwischen. Nichts darf durchsickern, verstehst du?«
    Veronica schluckte und nickte. Sie spürte die Angst wie ein kaltes, dünnes Messer im Rücken.

Kapitel 8
    Als Agnes aufwachte, war ihr übel vor Nervosität. Vor allen anderen fuhr sie in die Redaktion. Sie wusste, dass er für gewöhnlich früh kam. Und richtig: Um halb acht hörte sie, wie Sverre Ekker die Tür zu seinem Büro
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