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Gottes blutiger Himmel

Gottes blutiger Himmel

Titel: Gottes blutiger Himmel
Autoren: Fawwaz Hahhad
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Gesicht, meinem vor Schmutz starrenden Hemd und dem Lösungsbeutel, der an einem dünnen Haltegriff in der Fahrerkabine hing. Ich lag auf einer dreckigen gelben Decke, die nach Schweiß, Urin und Erbrochenem roch.
    » Mudschahid ?«, fragte er mich.
    »Ja, ein Glaubenskämpfer«, schaltete sich der Fahrer ein.
    »Gott zum Gruße«, rief der Vermummte daraufhin. Und er trieb den Fahrer zur Eile an, weil er fürchtete, ich würde sonst nicht lebend ankommen. Ich wünschte mir, er hätte mir eine Kugel durch den Kopf gejagt, damit ich schneller ans Ziel käme. Aber selbst dieser Wunsch blieb nur ein Traum. Er ließ uns weiterfahren, ohne uns etwas abgenommen zu haben, und freute sich wohl, damit vermeintlich etwas für den Dschihad und die Mudschahidin getan zu haben. Es war seine Art, als Ausgleich für seine Raubzüge die islamische Almosensteuer zu entrichten.
2
    Am Grenzübergang al-Walid stieg mein Fahrer aus und lief an einer langen Schlange anderer Fahrzeuge vorbei. Er überreichte einem Beamten einen Brief der US-Armeeführung, in dem die Besatzung des Grenzübergangs aufgefordert wurde, mich aus dem Irak ausreisen zu lassen. Der Grenzoffizier war im Bilde, denn tags zuvor hatte ihn bereits einentsprechendes Telegramm erreicht. Der Fahrer kam in Begleitung eines amerikanischen Soldaten und eines Dolmetschers zurück. Sie waren überrascht von dem alten und schäbigen Wagen, in dem ich saß. Offenbar hatten sie einen Mann mit elegantem Anzug in einer schwarzen Limousine erwartet. Ich überreichte meine Ausweispapiere, die ich in meinem Hüftverband versteckt hatte. Der Soldat stellte keine weiteren Fragen. Die Amerikaner hatten ihren Teil der Vereinbarung erfüllt und ihr Versprechen mir gegenüber gehalten.
    Auf der syrischen Seite, am Grenzpunkt at-Tanf, holten mich Leute ab, die ich nicht kannte. Sie liefen erst hilflos um mich herum und setzten mich dann in ein Auto des syrischen Roten Halbmondes. Das Letzte, was ich vom Grenzübergang sah, war eine Schlange vollbeladener Lastwagen, die kilometerweit auf syrischem Gebiet standen und darauf warteten, abgefertigt zu werden. Eine Spur daneben rollten Hunderte von Autos, in denen Hunderte von Familien in den Irak zurückkehrten, langsam in Richtung Übergang. Sie dachten an Rückkehr? In dieses Land?
    »Wundern Sie sich nicht«, meinte der syrische Zollbeamte, der mit mir im Krankenwagen saß. »Die würden alles tun, um wieder in ihr Land zu kommen.« Dann sank ich in einen langen, unruhigen Schlaf.
    Nach Mitternacht war ich in Damaskus – lebendig, aber völlig entkräftet. Ich hatte die ganze Fahrt über Albträume gehabt, die mich mehr gepeinigt hatten als meine Wunden, welche aufgrund der Hitze und des Ungeziefers zu eitern begonnen hatten. Im Krankenhaus bekam ich neue Verbände und wurde zur Beobachtung auf die Intensivstation verlegt. Der diensthabende Arzt sagte: »So schlimm steht es gar nicht um Sie. Bald wird es Ihnen bessergehen.« Dann fragte er mich nach meinem Namen und nach meinem Beruf. Ichsagte ihm, ich wisse beides nicht. Das mache nichts, meinte er, in ein paar Tagen werde mir alles wieder einfallen. Es war, als stieße er mich mit seinen gleichgültig dahingesagten Worten ins Unbekannte.
    Leute kamen mich besuchen, umarmten mich und beglückwünschten mich zu meiner Rettung. Es schien, dass ich sie kennen müsste, ihre Gesichter waren mir vertraut. Sie wirkten besorgt und wünschten mir rasche Genesung. Der Einzige unter ihnen, den ich erkannte, war mein Freund. Tränen traten ihm in die Augen, er nahm mich in die Arme, und ich sagte seinen Namen, Hassan. Die Krankenschwester glaubte, es müsse sich um meinen Bruder handeln, und rief gerührt: »Blutsbande sind eben unerschütterlich!« Er war der Einzige, den ich aus einer Vergangenheit, von der ich mir wünschte, es gäbe sie nicht, noch kannte.
    »Was habe ich denn im Irak gemacht?«, fragte ich Hassan.
    »Du bist vor zwei Monaten angeblich nach Beirut gefahren«, erklärte er, »und wolltest von dort weiter nach Dubai, um bei einem neugegründeten Fernsehsender zu arbeiten. Das war aber nicht wahr. Es war nur die Version, die du bei deiner Abreise hinterließt. Dein wahres Ziel war der Irak. Nach etwa zwei Wochen Aufenthalt in Bagdad wurdest du entführt …«
    »Das reicht«, unterbrach ich ihn. Hassan versprach, nicht zu sehr in die Details zu gehen. Er resümierte, ich sei aus einem Café in der Rashid-Straße heraus von Bewaffneten an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Danach
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