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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman
Autoren: Michael Boenke
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Kriminalblondine war aus kinetischer Energie
heraus von selbst nach oben gerutscht und bot einen unvergesslichen Blick auf
ihre Beine. Die Waffe hielt sie immer noch in der erhobenen Hand. Zum Turm hin
rief sie: »Bleiben Sie dort oben stehen, bewegen Sie sich nicht, wir holen Sie
sicher herunter.«

     
    Die Tauben, die im Turm nisteten, flatterten
aufgeregt um das Fenster herum und ließen Kot ab. Als er uns sah, las er aus
dem Buch und rief mit kräftiger Stimme herunter: »Eben erst hat er fliehen
müssen, und schon begräbt er wieder die Toten. Heilandzack! Als ich ihn
begraben hatte und in der Nacht nach Hause kam, legte ich mich an der Hofmauer
zum Schlafen nieder, weil ich unrein geworden war. Mein Gesicht ließ ich
unbedeckt, ohne auf die Sperlinge zu achten – Heilandzack, das sind doch
Tauben –, die in der Mauer nisteten. Da ließen die Sperlinge ihren warmen
Kot in meine offenen Augen fallen und es bildeten sich weiße Flecke in meinen
Augen. Und ich, ich gehe nicht mehr zu den Ärzten, die können mir auch nicht
helfen, die konnten es nie.«

     
    Dann warf er das Buch in unsere Richtung. Es
flatterte wie ein in der Luft getroffener Vogel vor unsere Füße. Es war das
Alte Testament. Dann hielt sich der alte Mesner Kalner das Kreuz mit der Spitze
an die Brust und sprang.

     
    Durch das Ried hörte man die Signalhörner der
Einsatz-Fahrzeuge näher kommen.

26
    Vier Tage, nachdem sich der Alt-Mesner Kalner
vom Kirchturm gestürzt hatte, war das Geschehene immer noch Tagesgespräch in
Riedhagen und den umliegenden Dörfern. Es entstand für wenige Tage ein
regelrechter Turm-Tourismus. Auch Presse und Fernsehsender labten sich wie
Maden am Fleisch der schrecklichen Ereignisse. Menschen, behängt mit
Videokameras und digitalen Fotoapparaten aus dem Bodenseeraum, aber auch Neugierige
mit Stuttgarter Autokennzeichen besuchten Riedhagen. Sie gaben vor, sie hätten
schon immer mal die schöne Riedlandschaft besuchen wollen, aber alle wollten
den Kirchturm sehen und die Wohnung des Alt-Pfarrers, wo er mit seiner
Haushälterin gewohnt hatte.
    Vor allem die Stelle unterhalb des Kirchturms war der
Touristenmagnet, wo Kalner nicht, wie er geplant hatte, vom Kreuz durchbohrt,
sondern neben seinem Kreuz liegend gestorben war. Er hatte sich selbst
verfehlt.
    Deodonatus hatte an der Aufprallstelle ein schlichtes, weißes
Kreuz, ein ewiges Licht und ein Blumentöpfchen mit Vergissmeinnicht
aufgestellt. Ein Spendenkässchen für die Kirche rundete das Trauer-Arrangement
ab.

     
    Müller stand mit Racko meist im Garten – mit
seiner guten Trainingshose, die mit den weißen Streifen an der Seite – und gab
den Suchenden und Neugierigen bereitwillig Auskunft über Haushälterin und
Pfarrer, die jahrelang seine ›besten Nachbarn‹ waren. Er genoss in seinem
Frührentnerdasein die Aufmerksamkeit, die man ihm und seinem Hündchen schenkte.
Die sensationsgeilen Touristen verließen meist schnell sein Grundstück, als er
ihnen auch noch sein Hunde-Epitaph vorstellte. Mittlerweile war es liebevoll
mit einem Bild von Waldemar geschmückt.

27
    Frieda stand grübelnd an unserem Tisch und
überlegte, ob sie den Biergartenbereich vergrößern sollte, ließ jedoch ebenso
schnell wieder von der Idee ab: »Wenn es nichts mehr zu glotzen gibt, kommt
keiner mehr.«
    »Frieda, noch ein WalderBräu naturtrüb hell«, rief ich ihr
zu.
    »Ja, sofort, iss auch was. Ich bring dir Bratwürste mit
Kartoffelsalat, geht aufs Haus.«
    Cäci lachte mich an und wurde ein bisschen rot.
    »Was führt denn die im Schilde?«, fragte ich neugierig. »Die
will doch irgendwas von mir.«
    Cäci schüttelte nur grinsend den Kopf und hob an, mir etwas
zu sagen, als eine bekannte Stimme rief: »Hi, Dani, ist noch ein Platz frei?«
    »Ich bin auch noch da«, meinte Cäci.
    »Das sehe ich. Na, wie geht’s so, nach all dem Stress?«
    Die doofe Hilde trug einen äußerst knappen schwarzen
Stretchrock und ein sonnengelbes Top. Irgendwie kam mir das bekannt vor, ich
wusste nur nicht, woher. Cäci hatte die Augen zusammengekniffen,
riedwasserbraun blitzte es aus den dünnen Schlitzen. Leise zischte sie in meine
Richtung: »Was fällt der dummen Kuh bloß ein? Und wehe, sie macht dich jetzt
noch an!«
    Ihre Fingernägel trommelten den Radetzky-Marsch auf die
Oberfläche des blechernen Tischchens.
    Jetzt erst fiel es mir auf, meine Cäci trug das gleiche, lose
Arrangement wie Hilde, nur umgekehrt. Bei Hilde
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