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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall?
Autoren: R. J. Berry
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»Fakten« gedeutet und interpretiert werden.

Die Soziologie der Wissenschaft
    Das soeben Erwähnte gibt zu erkennen, dass es sich bei der Wissenschaft um eine menschliche Aktivität handelt. Die jeweilige Einstellung, die man gegenüber der Wissenschaft (einschließlich der Technik) einnimmt, ist eine komplizierte Mischung aus Zustimmung und Misstrauen, was persönliche Vorteile, Umweltverschmutzung, Medizin, Klimawandel, Verkehr, Kriege, Kosten überflüssiger Forschung und so weiter einbezieht – die Liste ist nahezu endlos. Häufig hat das auch mit komplexen ethischen Fragen zu tun. Eine der Begrenzungen der Wissenschaft ist, dass sie uns nur sagen kann, was der Fall ist, und nicht, was in irgendeiner moralischen Hinsicht der Fall sein
sollte.
Eine ihrer Stärken liegt jedoch darin, dass sie uns oftmals einen Hinweis auf die voraussichtlichen Konsequenzen einer Aktivität geben kann und uns damit hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, die auf zuverlässigen Vorhersagen beruhen. Sie kann das mittels gesicherter Annahmen über die
Gleichförmigkeit der Natur
und die menschliche Vernunft.
    Die Wissenschaft kann auch zu extremen Einstellungen führen – entweder durch eine faktische Vergötterung (normalerweise durch Nichtwissenschaftler, doch manchmal auch durch Wissenschaftler selbst, wie es bei den logischen Positivisten [logischen Empiristen] der Fall war – siehe unten) oder durch die Verunglimpfung von Wissenschaft und Technik, weil sie »es nicht bringt« oder nicht schafft, auf die Art von Fragen zu antworten, die nicht in ihren Bereich fallen. Doch es hat keinen Sinn, die Katze zu treten, weil sie Einbrecher nicht anbellt. Andere Einstellungen haben sich in Kulten der Irrationalität in der Wissenschaft geäußert, die – wenn man sie verfolgte – einzig und allein zum Niedergang der Wissenschaft führen konnten. So war es bei dem Vorwurf gegen den österreichischen Philosophen Paul Feyerabend in den 1970ern bei seinen Aussagen: »Die Wissenschaft ist wesentlich ein anarchistisches Unternehmen … Das einzige Prinzip, das den Fortschritt nicht hemmt, heißt:
anything goes
(mach, was du willst).«
     
    Karl Popper (1902–1994), österreichisch-britischer Naturphilosoph, bekannt für seine Wissenschaftstheorie, nach der das Schlüsselkriterium für eine wissenschaftliche Theorie ihre Falsifizierbarkeit ist  ©  © Lebrecht/​Queries to Lebrecht Music, London
     
    Durch all das erhebt sich die Frage, was als »ursprüngliche« Wissenschaft bezeichnet werden kann. Wie wir gesehen haben, ist die Verifizierbarkeit kein angemessenes Kriterium für eine wissenschaftliche Theorie, und auch die
Falsifikation
nach Popper hat ihre Probleme. Wie könnte man beispielsweise Astronomie und Astrologie klassifizieren? Was ist mit der traditionellen Unterscheidung zwischen Wissenschaft und
Szientismus?
Verallgemeinernd ließe sich sagen, dass viele Dinge, welche die Wissenschaft einfach als
methodische Prinzipien
nimmt, wie etwa das »Ausklammern« metaphysischer Konzepte wie Gott, vom Szientismus noch weiter zu Glaubensprinzipien »verstärkt« werden – die dann zu der Behauptung führen, dass die Wissenschaft Gott abgeschafft habe.
     
    Die Gründung der Royal Society von London, wie es in ihrem Protokoll vom 28. November 1660 festgehalten wurde. Die Gesellschaft ist die älteste nationale Wissenschaftsakademie der Welt und wurde zum Zweck errichtet, »das Wissen über die Natur zu verbessern«.  ©  © Royal Society/​richardvalenciaphotography
     
    Das Thomas-Theorem ⬅
    1938 erschien im amerikanischen Wissenschaftsmagazin
Osiris
(Band 4, S. 360-632) ein langer Aufsatz, verfasst von dem bekannten amerikanischen Soziologen Robert K. Merton über »Wissenschaft, Technik und Gesellschaft im England des siebzehnten Jahrhunderts«. Darin behandelt Merton Wissenschaft und Technik als soziales Phänomen und nicht nur oder nicht hauptsächlich als unablässige Suche nach der Wahrheit oder dem Nutzen, wie es dem traditionellen Bild entsprach. Merton wurde viel gelobt, besonders von denen, die – wie Marx und andere – darauf bestehen, dass die Wissenschaft im Wesentlichen ein soziales Phänomen sei, das insbesondere die kulturellen Werte der Gesellschaft widerspiegelt. Solche Leute sind
Externalisten,
die auf der Bedeutung äußerer Faktoren in der wissenschaftlichen Praxis beharren. Andere, besonders die tatsächlich in der wissenschaftlichen Forschung Tätigen, finden das nicht einleuchtend
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