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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall?
Autoren: R. J. Berry
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ausübten, dass sie hinausgingen, um sich die natürliche Welt anzuschauen, ihre Messwerte zu sammeln und ihre Erkenntnisse zu Gesetzen zu verallgemeinern. Diese Vorgehensweise, von speziellen Fällen aus zu Verallgemeinerungen zu argumentieren, bezeichnet man als Induktion. Doch man kann, wie der Philosoph Karl Popper (1902–1994) erkannte, nicht auf diese Weise verifizieren, weil es immer die Möglichkeit eines unentdeckten Gegenbeispiels gibt, das die Verallgemeinerung falsifizieren würde. Philosophen illustrieren das oftmals damit, indem sie darauf hinweisen, dass man – wie viele weiße Schwäne man auch immer beobachte – daraus nicht berechtigterweise die Verallgemeinerung ableiten könne, »alle Schwäne sind weiß«. Es braucht nur einen einzigen schwarzen Schwan – und es gibt welche –, um die Verallgemeinerung zu falsifizieren. Diese Einschränkung wird als Induktionsproblem bezeichnet. Popper sah die Aufgabe des Wissenschaftlers darin, zu versuchen, eine provisorische Hypothese umzustoßen – sie zu
falsifizieren.
Wenn sie derartige Versuche überlebe, dann soll die Hypothese als dem Wissenschaftskorpus zugehörig beibehalten werden, zumindest bis auf weiteres. Doch sogar das Kriterium der Falsifikation hat seine Probleme. Wie kann man beispielsweise absolut sicher sein, dass die Hypothese tatsächlich falsifiziert worden ist und dass es nicht nur die Folge einer falschen Messung oder einer fehlerhaften Beweisführung ist?
     
    Ein weiteres Problem, das sich daraus ergibt, dass man hinausgeht, um sich die natürliche Welt anzuschauen, um Messwerte zu sammeln, wird mit der Frage aufgeworfen: »Welche Daten sammelt man aus der nahezu unendlichen Menge, die vorhanden ist?« Es ist heute eine allgemein anerkannte Tatsache, dass Wissenschaftler an ihre Aufgabe mit einer gewissen Vorstellung über das herangehen, was erwartet werden könnte. Ihre Suche ist »theoriebeladen«. So berücksichtigen Wissenschaftler, die zum Beispiel die Dynamik fallender Körper untersuchen, Entfernung, Zeit, Masse, Geschwindigkeit und Beschleunigung. Doch sie ignorieren sang- und klanglos Farbe und Form eines fallenden Körpers, sein Alter oder seinen Besitzer. Diese Angaben werden nicht für relevant erachtet. Interessanterweise stellt sich heraus, dass bei Berücksichtigung des Luftwiderstandes die Masse kein Faktor ist, der beachtet werden muss. Körper mit unterschiedlichen Massen, die in einem Vakuum fallen, fallen mit derselben Geschwindigkeit.
    [Es gibt] eine allgemein akzeptierte Unterscheidung zwischen zwei vermeintlich unterschiedlichen Wissenschaftstypen; den nomothetischen [aus dem Griechischen
nomos,
das Gesetz], der versucht, für unbegrenzt wiederholbare Ereignisse und Prozesse [in den Natur- und einigen Sozialwissenschaften] abstrakte allgemeine Gesetze aufzustellen, und den ideographischen, dessen Ziel das Verständnis des Einzigartigen und Nicht-Wiederkehrenden ist [zum Beispiel Aspekte der Geowissenschaften, die die nicht wiederholbare Entwicklung der Erdgeschichte erforschen]
    Ernest Nagel, The Structure of Science (1961)
    Wissenschaftler suchen nach Erklärungen, indem sie sich auf direkte, indirekte und gehäufte physikalische Beweise berufen, und obwohl später der Positivismus (siehe Kapitel
Das Wesen der Dinge/​ Positivismus und logischer Positivismus
) das darin enthaltene interpretierende Moment übersah, sollte mehr Sorgfalt auf das Erkennen der Art der Beweise verwendet werden. Eine gute naturwissenschaftliche Ausbildung legt Wert darauf. Darüber hinaus sind Beweise auch ein Schlüsselelement für religiöse Erklärungen und Einsichten, obwohl das für uns in dieser Hinsicht nicht wichtig ist. Schlussfolgerungen werden nicht nach irgendeinem »traditionellen philosophischen Ideal der cartesianischen absoluten Gewissheit« »bewiesen«, sondern eher im Sinne des Wortes »beweisen« in der archaischen Verwendung des Begriffs – getestet, unter Beweis gestellt, um das zu erreichen, was mit »vom empirischen Standpunkt aus« bezeichnet wird. All das ist stets vorläufig; wissenschaftliche Schlussfolgerungen sind im Licht neuer Erkenntnisse und neuer Interpretationen zu korrigieren. Theorien sind durch die verfügbaren Daten immer
unterbestimmt,
weisen also Lücken auf. Wo man zu Erklärungen gelangt ist, lautet der Grundsatz, dass sie aus einer »Schlussfolgerung zur besten Erklärung« resultieren. Aphorismen wie »Alles ist Interpretation« erinnern uns beständig daran, dass alle
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