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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition)
Autoren: Noreen Aidan
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selbst nicht wieder.
    Und das fühlte sich gut an.
    Mit der befriedigenden Unverschämtheit eines erhobenen Kinns blickte sie den beiden Gästen mitten in die verdatterten Gesichter. „Yusuf, ich kann mich nicht mit dir verloben. Ich möchte nämlich nicht den Rest meines Lebens damit zubringen, deine Schafe zu hüten, die Dienstmagd deiner fußkranken Mutter zu sein und deine Opiumfelder zu bestellen. Du musst dir eine andere Braut suchen.“
    Das unglaubliche Ausmaß von Kianas Frechheit ließ Onkel Abdullah aufspringen. In seinen Augen sah sie, dass er kurz davor war, gleich hier vor den Gästen die Drohung wahr zu machen, die ihre ganze Kindheit lang über ihr gehangen hatte wie ein Schwarm Schmeißfliegen über einer ungegerbten Schafshaut. Die Drohung, dass er ihr als wohlverdiente Strafe für ihre Verfehlungen die Kehle durchschneiden würde.
    A uf eine merkwürdige Weise gefühlstaub überlegte Kiana kurz, den Falken herauszulassen, um ihn gegen ihren Onkel zu richten, beschloss dann aber, dass es der Mühe nicht wert war. Sie hatte in den letzten Tagen genug Kämpfe bestanden. So drehte sie sich einfach um und ging.
    „Bist du verrückt?“, hauchte Madina, als Kiana an ihr vo rbeikam.
    „Was auch immer du mit deinem Leben machen willst“, erwiderte Kiana müde, „lass dich nicht abhalten! Von niemandem!“
    Fast rechnete sie damit, dass Onkel Abdullah ihr nach draußen folgen würde, um ihr das zu geben, was sie seinem Weltbild nach verdiente, doch er kam nicht. Durch das offene Wohnzimmerfenster konnte sie hören, wie er versuchte, seine Gäste mit zahlreichen Entschuldigungsfloskeln zu beschwichtigen. Offenbar hatte er Kianas Aburteilung auf später verschoben. Wenn weniger Zeugen anwesend waren.
    Draußen am Brunnen warteten bereits ihre Freunde. „Vater will noch nicht mitkommen“, erklärte Amir. „Er hat vorhin den Auftrag angenommen, eine Schranktür zu reparieren, und kann daher noch nicht weg.“
    Nesrin drehte eine ihrer Locken um ihren Zeigefi nger. „Ich glaube eher, er hat nichts geglaubt von dem, was wir ihm erzählt haben.“
    „Er will nur sein Wort nicht brechen“, widersprach Amir. „Wenn er einen Auftrag annimmt, macht er ihn auch zu Ende. Er ist eben ein Mann von Ehre.“
    Mit Genugtuung stellte Kiana fest, dass Amir, wohl weil Fatima ihm diesbezüglich den Kopf gewaschen hatte, mit sehr viel mehr Achtung von seinem Vater redete als früher.
    Unruhig kratzte sich Nesrin am Oberarm. „Gehen wir heim!“
    „Ja“, hauchte Kiana. „Gehen wir heim!“
     
    Als sie kurz darauf den Bunten Basar betraten, hatte sich dort mitten in der Hauptgasse eine große Menschenmenge versammelt. Und etliche Dschinns. Aller Augen und Ohren waren auf Miro gerichtet, der oben auf dem Hauptpfosten von Nadschibs Zelt hockte und so etwas wie Hof hielt.
    „ Die Lobpreisungen der Überlebenden schallen noch immer über die gesamte Ebene“, krächzte er. „Grenzenlos ist ihre Dankbarkeit darüber, dass ich rechtzeitig herbeieilte, um zusammen mit den Simurgh das gewaltigste Skorpionheer, das die Welt je gesehen hatte, in alle Himmelsrichtungen zu vertreiben. Nach jenem legendären Sieg gönnte ich mir kaum einen Atemzug Ruhe, sondern eilte zu euch, um euch die Kunde zu überbringen, dass fortan auch der Bunte Basar sicher ist vor Damons Geziefer.“
    Die Menschen und ein affenähnlicher Dschinn applaudierten. Eine Horde Kinder hüpfte aufgeregt herum, angesteckt von der Freude der Erwachsenen, vermutlich ohne zu wissen, um was es eigentlich ging.
    Mit lässiger Selbstverständlichkeit nahm Miro den Beifall entgegen. „Danke, Freunde, danke! Aber ich habe nur meine Pflicht getan.“ Er stieg von seinem Pfosten auf das schräg abfallende Zeltdach, und was wohl ein elegantes Herabgleiten auf der Plane hätte sein sollen, endete in Geflatter, Gekrächze und Purzelbäumen.
    Geistesgegenwärtig warf Nesrin ihre Teppichrolle, die sich mit einem Schlag entrollte und M iro auffing, bevor er und seine Würde auf dem Boden aufprallten.
    „Alles okay, Miro?“, erkundigte sich Nesrin vorsorglich.
    Der weiße Geier rappelte sich in eine aufrechte Haltung. „Ich denke, ich nahm keinen Schaden, danke.“ Er ließ Nesrins Teppich nach links schweben, bis sich sein Geierkopf auf Augenhöhe mit einer reichlich geschmückten Frau befand. Er streckte seinen Hals hin zum linken Ohr der Frau, begutachtete kritisch sein Spiegelbild im großen, scheibenförmigen Mittelstück ihres silbernen Ohrgehänges und toupierte
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