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Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Goldener Reiter: Roman (German Edition)

Titel: Goldener Reiter: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Weins
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Knopf und die wilde Dreizehn . Der Käfig gehört dem Kaiser von China, der darin den Goldenen Drachen der Weisheit hält. In diesem Käfig aber ist kein goldener Drache, sondern ein Dackel. Der Dackel ist groß. Ich habe noch niemals einen solchen Dackel gesehen. Er ist so groß wie ein Buckelwal. Das ist etwas kleiner als ein Blauwal. Eine Art chinesischer Käfig mit goldenen Gitterstäben ist das. Die Leute stehen dicht an dicht. Meine Mutter und ich stehen abseits. Ich starre die Schnauze vom Dackel an, die gerade in mein Zimmer passen würde. Die Leute lachen. Viele Kinder sind da. Die Erwachsenen zeigen auf den Dackel und lachen. Der Dackel lacht auch. Er hat große runde Augen wie im Comic und richtige Lippen, mit denen er die Kinder anlacht. Hinter dem Käfig sind Bäume, die im Wind rauschen. Sie biegen sich, diese Bäume. Ich finde den Hund nicht niedlich. Meine Mutter will dichter an den Käfig heran. Sie nimmt meine Hand und zieht, aber ich will nicht. Ich drücke meine Fersen in den Boden. Ich lasse mich nicht ziehen. Ich traue dem Dackel nicht. Ein so großer Dackel kann nicht niedlich sein. Der Dackel schaut mich an. Als hätte er meine Gedanken gehört. Der Dackel lächelt. Meine Mutter hört auf zu ziehen. Siehst du, sagt sie. Ich schaue meine Mutter an. Sie lächelt. Richtig glücklich sieht sie aus. Der Wind legt sich in ihre Haare und lässt sie fliegen. Du brauchst doch keine Angst zu haben, sagt der Dackel. Ich schaue den Dackel an. Außer mir hat es keiner gehört. Der Dackel lächelt. Dann verzieht sich sein Gesicht. Er fixiert mich. Er reißt die Augen auf und fletscht die Zähne. Er bohrt seine Blicke in mich. Ich höre ein Grollen, von dem ich nicht weiß, ob es vom Dackel oder vom Himmel über den Bäumen kommt. Die Bäume bewegen sich nicht mehr.
    Dann lächelt der Dackel wieder. Er blickt ein anderes Kind an. Ich höre die Stimmen von den Leuten und das Lachen und das Rauschen in den Bäumen.
    Dann ist er ausgebrochen. Ich weiß, dass der Käfig leer ist und die goldenen Gitterstäbe auseinander gebogen. Der Park, in dem der Käfig steht, ist menschenleer. Eine Mutter mit einem Kind steht noch da. Das Kind zeigt auf die Stangen. Die ganze Stadt ist menschenleer. Ich renne durch die Straßen. Meine Mutter ist nicht bei mir. Ich weiß nicht, wo meine Mutter ist. Ich renne. Der Dackel ist hinter mir her. Meine Brust tut weh vom Laufen. Ich kenne die Straßen nicht. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht, wo ich hinrennen soll. Ich sehe den Dackel nicht, aber ich weiß, dass er dicht hinter mir ist. In den Fenstern der Häuser sehe ich niemanden. Auf der Straße ist niemand. Ich laufe und laufe. Die Straße ist voller Wind, der mich am Laufen hindern will. Die Häuser hören auf, eine Dünenlandschaft beginnt, wie im Dänemarkurlaub. Ich komme an einen Bunker. Der Bunker ist aus Beton und in den Sand eingelassen. Die Mauern ragen nur ein Stück über den Erdboden hinaus. Ich rufe durch eine Schießscharte in den Bunker hinab. Eine Luke geht auf und ein Mann kommt heraus. Ein Soldat mit Mütze und Uniform und Orden. Der Dackel ist hinter mir her, sage ich. Ich erzähle dem Soldaten, dass der Dackel ausgebrochen ist. Der Dackel ist böse, sage ich. Ich weiß, sagt der Soldat. Er nimmt mich mit in den Bunker. Ich muss eine kleine Leiter aus Metall hinabsteigen. Unten im Bunker sind viele Soldaten mit Helmen auf dem Kopf. Du brauchst keine Angst zu haben, sagt der Soldat mit der Mütze. Er setzt mich auf eine Kiste. Ein Soldat mit Helm wickelt mich in eine Decke und gibt mir einen Becher mit etwas zu trinken. Ich schaue nach oben. Mir ist kalt, obwohl ich in eine Decke eingewickelt bin. Ich schaue ins Licht.
    Etwas schiebt sich vor das Loch im Bunker. Das Licht ist weg. Ich sitze auf einer Kiste und schaue nach oben. Der Dackel starrt mich an. Niemand außer mir bemerkt es. Ich lasse den Becher fallen. Er fixiert mich, wie ich in eine Decke eingewickelt sitze. Ich möchte etwas sagen, zu den Soldaten, aber es geht nicht. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kriege keinen Ton aus meiner Kehle.
     
    22
    Ich stehe am Fenster. Der Kaktus drückt in meine Wange. Den Kaktus habe ich, seit ich sechs bin. Dabei heißt der Kaktus gar nicht Kaktus, sondern Madagaskarpalme. Ich sage trotzdem Kaktus zum Kaktus. In meinem Zimmer am Fenster stehe ich. Meine Mutter ist im Garten. Ich habe gehört, wie sie die Terrassentür aufgemacht hat. Deshalb habe ich mich an das Fenster gestellt.
    Meine Mutter geht
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