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Goettin in Gummistiefeln

Goettin in Gummistiefeln

Titel: Goettin in Gummistiefeln
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Sutherland ist nur noch eine Staubwolke zu sehen. Überall werden Handys gezückt, Absagen rückgängig gemacht, Kino- und Restaurantbesuche vereinbart, die Stimmung steigt. Auch ich hätte am liebsten »Jippie« gerufen, beherrsche mich aber.
    So etwas gehört sich nicht für eine künftige Seniorpartnerin.
    Ich raffe meine Papiere zusammen, stopfe sie in meine Aktentasche und schiebe meinen Stuhl zurück.
    »Samantha, fast hätte ich‘s vergessen.« Guy drängt sich zu mir durch. »Ich habe noch was für dich.«
    Er überreicht mir ein schlichtes weißes Päckchen, das ich mit jäh aufkeimender Freude entgegennehme. Er ist der Einzige in der ganzen Firma, der an meinen Geburtstag gedacht hat. Mit glühenden Wangen reiße ich die weiße Kartonverpackung auf.
    »Guy, das wäre doch nicht nötig gewesen!«
    »Das war doch nichts«, sagt er äußerst selbstzufrieden.
    »Trotzdem!« Ich lache. »Ich dachte, du hättest -«
    Mir bleibt das Wort im Hals stecken, als ich eine DVD mit dem Firmenlogo hervorziehe. Es ist eine Zusammenfassung von der Präsentation der europäischen Partner, die neulich stattfand. Ich erwähnte Guy gegenüber, dass ich gerne eine Kopie davon gehabt hätte.
    Ich drehe sie hin und her, wobei ich sorgfältig darauf achte, dass mein Lächeln noch im Gesicht sitzt, bevor ich schließlich aufblicke. Natürlich hat er nicht an meinen Geburtstag gedacht. Wie auch? Sicher weiß er gar nicht, wann ich überhaupt Geburtstag habe.
    »Das ist... toll«, stammle ich schließlich. »Echt toll! Danke!«
    »Hab ich doch gern gemacht.« Er greift nach seiner Aktentasche. »Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Hast du was vor?«
    Ich kann ihm unmöglich sagen, dass ich Geburtstag habe. Er wird denken - er wird merken -
    »Ich, äh ... kleines Familientreffen.« Ich lächle gezwungen. »Dann bis morgen.«
    Egal. Hauptsache, ich bin weggekommen. Ich werde es doch noch zu meiner Geburtstagsfeier schaffen. Und wie‘s aussieht, sogar pünktlich!
    Während mein Taxi sich durch den Verkehr von Cheapside wühlt, wühle ich rasch in meinen neuen Kosmetiksachen. Ich bin neulich in der Mittagspause bei Selfridge‘s vorbeigehuscht, weil ich gemerkt hatte, dass ich immer noch den grauen Eyeliner und die Wimperntusche von vor sechs Jahren benutze, die ich kurz nach dem Examen erstanden hatte. Da ich keine Zeit hatte, groß was auszuprobieren, habe ich die Verkäuferin einfach gebeten, mir alles zusammenzusuchen, was ich ihrer Meinung nach brauche.
    Ihren Erläuterungen habe ich kaum zugehört, weil ich Elldridge am Handy hatte, wegen dieser ukrainischen Ölsache. Aber an eins kann ich mich doch noch erinnern: dass sie immer wieder betonte, ich solle so was wie »Tönungspuder« verwenden. Sie meinte, er würde mir etwas Farbe ins Gesicht zaubern und ich würde nicht mehr so grässlich -
    An dieser Stelle geriet sie ins Stocken. »Blass aussehen«, hat sie schließlich gesagt. »Dabei sind Sie nur eine Spur ... blass.«
    Ich hole das Puderdöschen hervor und den dazugehörigen überdimensionalen Gesichtspinsel und beginne mir Wangen und Stirn zu pudern. Als ich einen Blick in den kleinen Spiegel werfe, muss ich ein Prusten unterdrücken. Mein Gesicht erstrahlt in mattem Goldglanz. Ich sehe aus wie ein Azteke. Einfach lächerlich.
    Ich meine, wem will ich was vormachen? Ich bin Anwältin in der Londoner City, habe seit zwei Jahren keinen einzigen Tag Urlaub gehabt - wie sollte ich da zu einer Gesichtsbräune kommen? Da könnte ich mir ja gleich Holzperlen in die Haare flechten lassen und behaupten, ich wäre gerade von Barbados eingebogen.
    Nach einem abschließenden Blick hole ich resolut ein Kosmetiktuch hervor und wische mir den Zauber wieder aus dem Gesicht. So, jetzt bin ich wieder bleich, mit einem Stich ins Graue. Normal also. Die Verkäuferin erwähnte auch mehrmals die dunklen Ringe unter meinen Augen.
    Was weiß die schon! Wenn ich keine Ringe unter den Augen hätte, würde man mich wahrscheinlich feuern!
    Ich habe, wie gewöhnlich, ein schwarzes Kostüm an. Meine Mutter hat mir zum einundzwanzigsten Geburtstag fünf schwarze Kostüme geschenkt, und ich trage seitdem nichts anderes. Das einzig Farbige in meiner Garderobe ist eine rote Handtasche. Die habe ich ebenfalls von Muttern bekommen, vor zwei Jahren.
    Eine schwarze, jedenfalls. Aber aus irgendeinem Grund -vielleicht, weil es ein so sonniger Tag war oder weil wir gerade einen großartigen Fall abgeschlossen hatten - habe ich sie aus einer plötzlichen
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