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Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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Orchon? Ich will einmal versuchen, Euch seine Geschichte zu erzählen. Neueste Erkenntnisse der Geologie und Archäologie besagen, dass es vor Jahrmillionen bereits eine Zivilisation auf der Erdenscheibe gab.«
    »Das ist mir neu.«
    »Das würde vielen neu sein«, kicherte Mellio. »Noch gibt es nichts wirklich Handfestes. Scherben, Überreste von Gebäuden, Gesteinsproben. Es scheint jedoch, als wäre diese Zivilisation vom einen auf den anderen Moment ausgelöscht worden. Eine unvorstellbare Katastrophe.«
    Corellius lief ein Schauer über den Rücken. Er schluckte. »Fahrt nur fort.«
    »Machen wir einen Zeitsprung. Vor vierhundert Jahren herrschten noch die Alten Monarchen über Galyrien. Damals endete ihre Herrschaft abrupt, als ein Wesen in Gestalt eines Mannes im Westen auftauchte. Orchon. Der Eine. Er kam aus den Leeren Landen, die seit jeher aus vielerlei Gründen von den Menschen gemieden werden. Er löschte ganz allein mehrere Städte aus und drohte damit, die ganze Welt untergehen zu lassen.«
    »Durch eine unvorstellbare Macht …«, fügte Corellius hinzu. Ihm dämmerte etwas. »Ihr meint, der Eine ist der letzte Verbliebene dieser Zivilisation? Ist sie vielleicht durch dieselbe Macht untergegangen, mit der er nun uns droht?«
    Mellio trank seinen Tee aus und wischte sich über die wulstigen Lippen. »So ist zumindest unser derzeitiger Kenntnisstand. Vor vierhundert Jahren forderte Orchon eine ebenso schöne wie kluge Frau von den Alten Monarchen. Diese arroganten Starrköpfe wollten sie ihm allerdings nicht gewähren. Das Volk hingegen lebte in solcher Furcht vor dem Einen, dass es sich gegen die Alten Monarchen erhob, um seinem Wunsch nachzukommen. Was dann kam, wisst Ihr sicherlich.«
    Corellius nickte. »Die Revolution. Die Straßenkämpfe in Sichelstadt. Die Jahrtausendschlacht am Bleiernen Fluss, in der an einem Tag dreizehn Könige, siebenundzwanzig Prinzen und sechzig Fürsten starben. Wenigstens etwas Gutes hat das Auftauchen von Orchon gehabt.«
    »Das kann man sehen, wie man will«, sagte Mellio. »Nach der Revolution wurde Orchon ein Mädchen in sein Heim, den Ekun-Tempel, gebracht. Seitdem herrscht das Ewige Konzil, wie du weißt, und hat die Schule im Efeuturm eingerichtet, damit alle dreißig Jahre ein Mädchen dem Einen geopfert werden kann.«
    »Ist Orchon ein Gott?«
    »Zumindest ist er unsterblich. Und er verfügt über unbeschreibliche Macht. Manche nennen ihn Gott und beten ihn an, andere halten ihn nur für ein Ungeheuer, eine Verirrung der Natur.«
    Die Gesänge waren verstummt, die Feuer erloschen. Rund und strahlend stand die Sonne am Himmel. Irgendwo krähte ein Hahn. Die Festung erwachte.
    »Eine dumme Idee hätte ich noch«, sagte Corellius. »Ich kenne das aus den Kartenspielen. Was wäre, wenn er nur täuscht? Wenn er nur droht, in Wirklichkeit aber gar kein gutes Blatt hat.«
    »Ihr meint, dass er gar keine zerstörerische Macht besitzt?« Mellio trat zur Turmtür. »Tja, dann werden wir grundlos in den Leeren Landen um unser Leben bangen. Oder wollt Ihr es wagen, es darauf ankommen zu lassen? Was für ein Kartenspieler seid Ihr, Corellius Adanor?«
    »Ein miserabler.«
    »Also …« Mellio stieß die Tür auf, »wir sehen uns beim Aufbruch.«

Der Aufbruch
    Die Eskorte versammelte sich vor dem Torhaus der Westwindfestung. Es herrschte ein unüberschaubares Chaos aus Pferden und Menschen. Knappen und Wachsoldaten schleppten Proviant auf einen großen Wagen, vor den zwei Maultiere gespannt waren. Pferde wurden von den Stallknechten ein letztes Mal mit Heu abgerieben und gefüttert. Einige der Wachen, darunter auch Corellius' Freund Galeon, verabschiedeten sich von ihren Lieblingshuren. In ihren bunten Gewändern waren die Frauen die einzigen Farbflecken in dem Durcheinander aus grauen Rüstungen, braunen Säcken und dunklen Lederkappen.
    Corellius und Ulme hielten sich mit ihren Rössern abseits vom Geschehen. Ständig glitt Ulmes Blick hinüber zum Efeuturm. »Wo bleibt sie denn nur?«
    »Du kriegst deine Jungfrau früh genug zu sehen«, sagte Corellius entnervt. Seit dem Frühstück sprach Ulme nur noch vom Efeumädchen. Er war schlimmer als ein kleines Kind, das zum ersten Mal auf den Jahrmarkt geht.
    »Aber denk dran: Sie soll eine Jungfrau bleiben. Komm also nicht auf dumme Gedanken«, fügte er hinzu.
    Ulme errötete. »Ich … ich würde doch nie …«
    Corellius schmunzelte und sagte: »Die kleine Magd aus der Wachkaserne hat ein Auge auf dich geworfen. Erinnerst
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