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Goettersterben

Titel: Goettersterben
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach ihm Platz nah m … und auch das erst, nachdem er ihm einen weiteren, nun unverhohlen besorgten Blick zugeworfen hatte. »Iss«, sagte Abu Dun. »du musst hungrig sein.« Doch schon der Gedanke, das Essen auch nur anzurühren, erfüllte ihn mit Unbehagen. »Ich … fühle mich nicht nach Essen«, sagte er.
»So, wie du aussiehst«, sagte Abu Dun ernst, »fühlst du dich wahrscheinlich nach gar nichts. Was ist los mit dir?« Andrej hätte viel für die Antwort auf diese Frage gegeben, antwortete aber nur mit einem ruppigen Schulterzucken und wich Abu Duns direktem Blick aus. »Vielleicht sollten wir dem Rat des freundlichen Colonels von gestern Abend folgen und einen Arzt aufsuchen«, fuhr Abu Dun fort.
Andrej starrte ihn an. »Das meinst du nicht ernst!« »Natürlich nicht«, erwiderte der Nubier. Doch die Sorge blieb in seinem Blick. »Deine Wunde heilt nicht«, sagte er unvermittelt.
Bevor Andrej antwortete, warf er einen flüchtigen Blick auf seinen eingerissenen Fingernagel, den Abu Dun, so hoffte er, nicht bemerkte. Immerhin war diese Verletzung verschwunden, wenn auch nicht vollkommen. »Doch«, behauptete er. »Nur nicht so schnell, wie ich gehofft habe.«
»Und das sollte eigentlich unmöglich sein«, beharrte Abu Dun. »Muss ich mir Sorgen um dich machen, Hexenmeister?«
»Nein«, versetzte Andrej unfreundlich. »Du ganz bestimmt nicht. Ich werde mich schon erholen. Schließlich ist es nicht nur ein Kratzer gewesen.« »Du bist schon oft schwer verwundet worden«, beharrte der Nubier. »Und ich auch.«
»Aber bisher hat noch niemand versucht, mir ein Auge auszuschießen«, knurrte Andrej. »Und die zweite Kugel hat mein Herz nur knapp verfehlt.«
Er sah Abu Dun an, wie wenig ihn diese Antwort zufriedenstellte (obwohl er einen Moment lang ernsthaft überlegte, dass es gut die Wahrheit sein konnte. Abu Dun und er waren weder wirklich unverwundbar noch tatsächlich unsterblich. Man konnte Wesen wie sie töten, wenn man sich nur genügend Mühe gab. Und die Wegelagerer gestern hatten sich alle Mühe gegeben). Er hob unwillig die Hand und deutete, eigentlich nur, um den Nubier auf andere Gedanken zu bringen, auf das reichhaltige Frühstück. »Können wir uns das leisten?« »Euer fürstliches Frühstück, Sahib?«, fragte Abu Dun. Der Stuhl knarrte bedrohlich, als er sein Gewicht ein wenig zu heftig verlagerte. »Aber Ihr wisst doch, oh Ihr Zierde des Okzidents und einziges Licht meiner mondlosen Nächte, Sahib, dass mir für Euch und Euer Wohlergehen nichts zu teuer ist, und …«
»Ich meine es ernst«, fiel ihm Andrej ins Wort, lauter und in schärferem Ton, als er es beabsichtigt hatte. Der Nubier zog vielsagend die linke Augenbraue hoch. »Ja«, sagte er nur. »Heute, und vielleicht auch noch morgen. Danach sind wir mittellos … . Wieder einmal.« Geld hatte Andrej noch nie interessiert und interessierte ihn auch jetzt nicht, auch wenn Abu Dun und er über dieses Thema in letzter Zeit immer häufiger aneinandergerieten. Das Schlimme an diesen endlosen Diskussionen war, dachte er, dass der ehemalige Pirat und Sklavenhändler vollkommen recht hatte. Die Zeiten, in denen ein Mann nur mit einem Schwert in der Hand, einem guten Pferd und genügend Optimismus überleben konnte, neigten sich unerbittlich ihrem Ende entgegen. Vielleicht gehörte die Zukunft nicht nur den Kanonieren und Musketenschützen, sondern auch und vor allem den Krämern.
»Das heißt, wir haben noch zwei Tage, um Loki zu finden«, sagte er.
»Einen Tag und ein paar Stunden von morgen«, korrigierte ihn Abu Dun. »Es sei denn, wir lassen unsere morgigen Mittags- und Abendmahlzeiten aus.« Er langte nach dem Krug, den der Wirt gebracht hatte, und goss zuerst sich und dann Andrej ein; Bier, dessen bloßer Geruch am frühen Morgen Andrej beinahe den Magen umdrehte. »Immer vorausgesetzt, er ist wirklich hier.« Auch dazu sagte Andrej nichts. Sie hatten dieses Gespräch schon unzählige Male geführt, so oft, dass jeder alle nur denkbaren Argumente des jeweils anderen schon kannte, bevor er auch nur dazu ansetzen konnte, sie auszusprechen. Andrej hatte längst aufgehört zu zählen, wie oft er schon vollkommen sicher gewesen war, diesmal auf der richtigen Spur zu sein, nur um am Ende doch wieder enttäuscht zu werden. Aber dieses Mal war es anders. Loki war hier, hier in Cádiz. Er wusste es einfach.
Abu Dun maß ihn mit einem Blick, als könnte er seine Gedanken wie mit glühenden Lettern geschrieben von seiner Stirn ablesen, griff dann
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