Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goettersterben

Titel: Goettersterben
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
mit einer bedächtigen Bewegung nach seinem Becher und leerte ihn mit einem einzigen, gewaltigen Schluck.
»Nehmen wir einmal an, dass du recht hast«, fuhr Abu Dun fort, nachdem er sich mit dem Handrücken den Schaum von den Lippen gewischt und so lautstark gerülpst hatte, dass der Wirt ihm einen missbilligenden Blick zuwarf. »Wie genau willst du ihn finden? Ich meine: Du weißt, dass wir sie nicht aufspüren können, wenn sie es nicht wollen?«
»Ich weiß, dass er hier ist«, beharrte Andrej stur. »Alles andere wird sich ergeben.«
»Wird sich ergeben«, wiederholte Abu Dun … und Zweifel schwang in seiner Stimme mit. Er goss sich einen zweiten Becher Bier ein, trank aber nicht davon, sondern begann nur, wie in Gedanken verloren damit zu spielen. »Du weißt, wie es angefangen hat?«
Andrej starrte ihn nur an.
»Jetzt töten wir einen Gott«, zitierte Abu Dun. »Das
    waren deine Worte, nicht wahr?«
Andrej schwieg noch immer.
»Ich will ja nicht kleinlich erscheinen«, fuhr Abu Dun fort, als ihm klar wurde, dass er keine Antwort bekommen würde. »Aber ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass e r vielleicht uns töten könnte?«
»Hat er das nicht schon?«, fragte Andrej bitter. Abu Dun überging den Einwand. »Und wenn du die Wahrheit gesagt hast, ohne es zu wissen?«
»Wie meinst du das?«
Abu Dun hob scheinbar beiläufig die Schultern und trank nun doch von seinem Bier, wenn auch nur einen winzigen Schluck. »Was, wenn er wirklich ein Gott ist? Glaubst du, du bist stark genug, einen leibhaftigen Gott zu besiegen?« Er stellte seinen Becher ab, rülpste noch einmal, leiser diesmal, und schob Andrej mit der linken Hand den Brotkorb und mit der anderen den Schinken hin. »Iss etwas. Du musst zu Kräften kommen.« »Götter«, antwortete Andrej leichthin, »gibt es mindestens so lange, wie es Menschen gibt. Sie wurden schon unzählige Male besiegt.«
»Ja«, antwortete der Nubier. »Von der Zeit.« Andrej sah ihm an, dass er noch mehr sagen wollte, und er war ziemlich sicher, dass es ihm nicht gefallen würd e … aber dann seufzte Abu Dun nur, trank sein Bier aus und schenkte sich mit der linken Hand nach, während er ihm mit der anderen auch den Käse zuschob. »Iss.«
Andrej stellte mit einem Gefühl sachter Überraschung fest, dass er tatsächlich sehr hungrig war.
Trotz des Ekels, der ihn immer noch erfüllte, griff er zu, knabberte lustlos an einem Stück Brot, dessen Geschmack nicht zu seinem appetitlichen Äußeren zu passen schien, und spülte den Bissen mit einem Schluck Bier herunter, das ebenfalls köstlich aussah und zweifellos frisch gezapft war, aber so schmeckte, als wäre es schon vor einer Woche schal geworden. Er zwang sich dennoch, weiterzuessen, und fühlte sich nachher zwar gesättigt, doch zugleich schien es ihm, als habe sein Hunger nur noch zugenommen.
Der Wirt kam, nahm den leeren Bierkrug und warf Abu Dun einen fragenden Blick zu. Der Nubier nickte, und der Wirt wollte sich gerade umdrehen, um einen neuen Krug Bier zu holen, als Andrej ihn mit einem raschen (und offenbar zu festen) Griff am Arm zurückhielt.
»Bring diesmal frisches Bier«, sagte er grob. »Das Zeug schmeckt wie Pferdepisse.«
Erst sah es aus, als wollte der Mann auffahren, doch dann zuckte er nur mit den Schultern, bedachte Abu Dun mit einem kurzen und anklagenden Blick und trollte sich. Der Nubier wartete, bis der Mann außer Hörweite war. »Lass den armen Kerl in Ruhe«, sagte er dann, leise, und in sehr ernstem Ton. »Das Bier ist gut. Und du hast ihm gestern Abend genug zugesetzt.«
»Gestern Abend?«
»Du erinnerst dich nicht?«
Andrej versuchte es. Irgendetwas war gestern Abend geschehen, das ahnte er noch, ohne es wirklich zu wissen.
»Was … habe ich denn getan?«, erkundigte er sich vorsichtig.
Abu Dun grinste ohne eine Spur von echtem Humor. »Das willst du gar nicht wissen«, antwortete er. »Aber ich hätte da noch eine Frage.«
»Und welche?« Als ob er das nicht wüsste.
»Ich habe sie schon einmal gestellt, aber du hast nicht geantwortet«, sagte Abu Dun. »Nicht, dass es Euren unwürdigen Diener und Sklaven etwas anginge, oh erleuchteter Sahib, doch was tun wir jetzt? Hast du vor, dir ein Schild um den Hals zu hängen, auf dem Lokis Name geschrieben steht, und die Bitte, sich bei uns zu melden, oder gibt es so etwas wie einen Plan?« Andrej musste sich beherrschen, um den Nubier nicht anzufahren. Er hatte schon vor einem oder zwei Menschenaltern aufgehört, Abu Duns albernes Gehabe komisch zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher