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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht
Autoren: Pierre Grimbert
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Haus zu ziehen. Doch dazu kamen sie nicht mehr. Plötzlich gingen zwei Männer mit gezogenen Schwertern auf Rey los, und er konnte von Glück sagen, dass sich seine Angreifer ungeschickt anstellten. Sie behinderten sich gegenseitig und stießen ihre Klingen ins Holz der Tür. Fluchend rammte Rey die beiden mit der Schulter und brachte sie damit zu Fall. Einen Wimpernschlag später hielt er den einen mit seinem Dolch in Schach, während Léti den anderen mit der Spitze ihres Rapiers bedrohte. Die beiden Männer, die sich auf dem Boden wanden, trugen rote Gewänder, waren aber keine Züu, sondern einfache Rominer.

    »Verschwindet von hier, Ihr Diebe«, ertönte plötzlich eine zitternde Stimme. »Oder ich durchbohre Euch das Leder!«
    In einigen Schritten Entfernung versperrte ein großer, hagerer Mann mit spärlichem Haar den Flur. Er sah nicht besonders gefährlich aus, aber er zielte mit einer Armbrust auf Léti, und das machte ihn zum Feind.
    Ohne nachzudenken entfesselte Yan seinen magischen Willen. Die Sehne der Armbrust peitschte zurück und ließ den Rominer vor Schmerz aufheulen. Doch die Reglosigkeit nach diesem unbedachten Schlag war so stark, dass Yan die Beine wegknickten und für einen Augenblick alles vor seinen Augen verschwamm. Aus der Ferne hörte er Léti Bowbaq zurufen, er solle sich den Mann schnappen. Der wollte sich gerade ins Innere des Hauses flüchten.
    »Räuber! Diebe! Lumpenpack!«, winselte er, als ihn Bowbaq sanft, aber bestimmt zurückbrachte. »Da sieht man ja, dass man Fremden nicht trauen kann!«
    »Wir sind keine Diebe«, beruhigte ihn Corenn. »Wir sind Freunde von Zarbone aus dem Schönen Land. Und Ihr seid gewiss Meister Sapone?«, setzte sie hinzu und reichte ihm dabei das Empfehlungsschreiben.
    Unwirsch riss der Rominer den Umschlag auf und überflog den Brief. Auch wenn sie die Wahrheit sagten, hob das seine Stimmung nicht besonders. »Wer von Euch ist Grigán?«, fragte er nach einer Weile.
    »Er«, sagte Lana, die den Kranken stützte.
    »Ihr lügt! Hier steht, dass dieser Grigán einen Schnurrbart trägt!«
    Corenn atmete tief durch, um nichts Unüberlegtes zu sagen. Sie, die sonst für ihre Gelassenheit bekannt war, hätte den engstirnigen Rominer am liebsten angeherrscht. Sie hatte ja nichts gegen einfältige Leute … Aber da sie als Mitglied
des Ständigen Rats oft um ihr Urteil gebeten worden war, konnte sie Unaufrichtigkeit nur schwer ertragen. »Meister Sapone. Wir sind nicht Eure Feinde. Wir brauchen Eure Hilfe, um in den Tiefen Turm zu gelangen.«
    »Also das ist ja …«, zeterte der Rominer los.
    »Wir sind bereit, jeden Preis zu zahlen«, fiel die Ratsfrau ihm ins Wort.
    Sapone beruhigte sich augenblicklich und tat so, als müsste er nachdenken. Dann schloss er die Tür, nicht ohne sich zu vergewissern, dass niemand diese Fremden an seiner Schwelle gesehen hatte.
     
     
     
    Yan saß wieder einmal tief in Gedanken versunken an Grigáns Krankenbett. Corenn und die anderen schmiedeten zusammen mit ihrem Gastgeber einen Plan, wie ihnen der seltene Streich gelingen könnte, die größte Bibliothek der bekannten Welt zu betreten. Sie versuchten, der Zukunft ins Auge zu sehen, während sich Yan fragte, ob es überhaupt eine Zukunft gab.
    Grigáns rasche Genesung war ein Hoffnungsschimmer gewesen. Umso bitterer war nun die Enttäuschung darüber, dass die Krankheit erneut ausgebrochen war. An seinen Wunden konnte es nicht liegen, denn die meisten hatten sich bereits geschlossen. Nun herrschte Gewissheit, dass Grigán an etwas anderem litt als an seinem zerschundenen Leib, und diese Gewissheit stimmte alle traurig.
    Usul hatte den baldigen Tod seines Freundes vorausgesagt. Usul hatte aber auch erwähnt, dass sich die Zukunft veränderte, sobald sie offenbart wurde. Sie veränderte sich nicht nur für denjenigen, der sie nun kannte, sondern für alle, die mit ihm in Berührung kamen. Würde er Grigán
retten können, indem er ihm die Wahrheit sagte? Natürlich nicht. Selbst wenn er gewarnt wäre, würde der Krieger nichts gegen seine Krankheit ausrichten können.
    Yan sah nur eine Möglichkeit, in diese Zukunft einzugreifen. Es war ein gefährlicher Weg. Ein Weg, der seinen Freund ebenso gut von seinem Los befreien, wie seinen Tod beschleunigen konnte.
    Usul hatte recht gehabt. Yan reagierte genau so, wie er es vorhergesehen hatte. Insgeheim verwünschte der junge Mann den Gott, der sich niemals täuschte.
    Die einzige Möglichkeit, Grigán zu heilen, war Magie. Die
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