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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht
Autoren: Pierre Grimbert
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Tagen stand sein Rekord bei vierzehn Mal in Folge. Er hörte nur auf, weil er den Rückschlag fürchtete: die Reglosigkeit, wie Corenn das Gefühl der Benommenheit nannte, das einen Magier nach der Entfesselung seines Willens ergriff.
    Yan musste ohne die Ratsfrau üben, denn diese verbrachte viel Zeit am Bett des Kranken, auch wenn Grigán inzwischen häufiger an Deck als in seiner Koje anzutreffen war. Der Krieger wollte beweisen, dass er vollständig genesen war, und hatte zu diesem Zweck wieder seine schwarze Kluft angezogen. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass Corenn die Einzelteile seiner groben Lederrüstung geflickt und neu zusammengenäht hatte. Er war es nicht gewohnt, dass man sich um ihn kümmerte, und zu Létis Belustigung stürzte ihn diese Fürsorge in tiefe Verlegenheit.

    Léti und Bowbaq widmeten sich in diesen zwei Tagen dem Kätzchen Frosch. Da er die Fähigkeiten eines Erjak besaß, hatte sich der Riese vorgenommen, das Tier durch enge Freundschaft an Léti zu binden, so wie er es schon mit seinem Löwen und seinem Pony getan hatte. Doch dieses Unterfangen erforderte ebenso viel Zeit wie Feingefühl. Zuallererst mussten sie das Vertrauen des Tiers gewinnen. Die bereits ausgewachsene Zwergkatze war kaum an den Umgang mit Menschen gewöhnt und ließ sich nur schwer dazu bewegen, ihnen ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Irgendwann musste sich Bowbaq eingestehen, dass er sein Versprechen nur mit großer Mühe würde halten können.
    Lana gab Reys Bitten nach und begann, ihm die wichtigsten Werte der eurydischen Moral zu erläutern. Im Grunde interessierte sich ihr Schüler herzlich wenig für die Religion, und seine Wissbegier war nichts weiter als ein Vorwand, um so viel Zeit wie möglich mit der Maz zu verbringen. Er hörte ihren Ausführungen nur mit halbem Ohr zu, warf bei jeder Gelegenheit einen kleinen Scherz ein oder lockte sie mit einer persönlichen Frage aus der Reserve. Lana ließ sich davon nicht entmutigen, doch am zweiten Tag legte sie sittsam ihre religiöse Maske an. Rey sollte sich für Eurydis interessieren, nicht für ihre Priesterinnen.
    »Ich würde Euch raten, die Maske abzunehmen«, sagte Grigán zu ihr, als das Schiff die Urae erreichte. »Wie Ihr sicher wisst, sind die Rominer den Itharern seit der Zeit der Zwei Reiche feindlich gesinnt. Daran hat sich nichts geändert.«
    »In Mestebien habe ich davon nichts bemerkt«, sagte Lana ehrlich erstaunt.
    »Mestebien liegt in Presdanien, Romin dagegen in Uranien. Wir betreten im Grunde ein neues Königreich. Die Kriege der Provinzen im letzten Äon sind den Leuten noch lebhaft in Erinnerung.
Jeder romische Volksstamm hat seine eigene Identität, und jeder kämpft um seine Unabhängigkeit.«
    »Dieses Land ist einfach zu alt«, sagte Rey. »Zu groß. Zu zersplittert. Seid Ihr schon einmal einem Jerusnier begegnet? Sie haben nichts mit den Händlern von Manive gemeinsam, das könnt Ihr mir glauben. Wenn Ihr mich fragt, so werden die Oberen Königreiche in der nächsten Generation fünf neue Länder hinzugewinnen - und eins verlieren.«
    Die nächste Generation, dachte Yan bedrückt. Wer konnte wissen, ob die Oberen Königreiche auch nur das nächste Jahr erleben würden?
    »Die Rominer können recht exzentrisch sein«, fuhr Grigán fort. »Und empfindlich. Vermeidet es also lieber, sie anzustarren.«
    »Das klingt ganz nach Euch«, spöttelte Rey.
    »Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen. Angeblich fackeln sie nicht lange. Und soweit ich weiß, können sie auch die Lorelier nicht leiden.«
    »Wie undankbar. Mir zu drohen, nach allem, was ich für Euch getan habe! Wäre da nicht diese stinkende Kloake, die man einen Fluss schimpft, würde ich sofort das Schiff verlassen, um meine Empörung kundzutun.«
    Léti verzog das Gesicht, als sie sich diesen Sprung vorstellte. In der Tat war die Urae der dreckigste Fluss der bekannten Welt. Der Rumpf der Othenor pflügte durch Abfälle und Exkremente, und oft schwammen sogar tote Tiere im Wasser.
    Die Erben versammelten sich an Deck, um die vorbeiziehende Landschaft zu betrachten, wie sie es schon auf der Ubese in den Fürstentümern getan hatten. Doch der öde Anblick, der sich ihnen bot, hatte nichts mit der üppigen Natur der Kleinen Königreiche gemein.
    Wenn hier überhaupt jemals etwas gewachsen war, so
war davon nicht mehr viel übrig geblieben. Die Stadt Romin erstreckte sich bis ins Umland hinein, und die Othenor segelte an den ersten Vororten vorbei, lange bevor sie die
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