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Goetheruh

Goetheruh

Titel: Goetheruh
Autoren: Bernd Koestering
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später, wie alle anderen.«
    Sophie lächelte.
    »Mach aber keinen Mist!«, warnte Benno.
    »Na, du kennst mich doch.«
    »Eben.«

     
    Sophie hatte sich als Fahrerin angeboten, weil sie Bereitschaftsdienst hatte und nichts trinken durfte. Wie fast immer war sie guter Laune und erzählte von ihrem Tag.
    Sophie Kessler arbeitete als chirurgische Oberärztin im Weimarer Krankenhaus. Eine attraktive Frau mit schwarzen, kinnlangen Haaren, die eine ungemeine Wärme und Fröhlichkeit ausstrahlte. Manchmal erinnerte sie mich an die Schauspielerin Barbara Rütting, die sich selbst oft als ›Trainerin fürs Lachen und Weinen‹ bezeichnet hatte. Dieses Prädikat passte wunderbar zu Sophie.
    Sie parkte direkt auf dem Rollplatz. Wir waren die ersten in der Brasserie, Benno wollte das so, weil er den Literaturkreis ins Leben gerufen hatte und sozusagen der Vorsitzende war. Sozusagen – denn das stand nirgends geschrieben, nein, es war auch niemals ausgesprochen worden.
    Thomas stand hinter dem Tresen und begrüßte uns wie immer sehr herzlich. Langsam trafen die anderen Mitglieder ein. Der Erste war Professor Karl Bernstedt, der Einzige, den ich schon kannte.
    »Hallo, Bernstedt«, begrüßte ich ihn freudig. Er wurde von seinen Freunden immer so genannt, verbunden mit einem gewissen Ausdruck an Respekt, denn Bernstedt war ein kluger und erfahrener Mann, ein gemütlicher Endfünfziger mit einem großen Schnauzbart und einem deutlichen Bauchansatz, einen ganzen Kopf kleiner als ich. Er lehrte an der Weimarer Bauhaus-Universität. Vor zwei Jahren hatte er die Gelegenheit ergriffen und sich im Bereich Altbausanierung selbstständig gemacht. Zudem war er äußerst belesen, in allen Bereichen, nicht so ein Schmalspurgelehrter wie ich. Wir hatten uns bei Onkel Leo kennengelernt.
    Dann kam Felix Gensing. Felix war ein untersetzter mittelgroßer Mann mit dunklen, wirren Haaren und einem Gesicht, dem man ein bewegtes Leben ansah. Wie mir Benno später berichtete, war er ein verarmter Künstler, der mit seiner Familie auf dem Lindenberg im Osten Weimars wohnte und sich mit Parkbänken aus Beton über Wasser hielt, denen er versuchte, eine künstlerische Seele einzuhauchen. Er war verheiratet mit der esoterisch orientierten Anna und hatte einen 19-jährigen Sohn. Ich musste zugeben, dass mir Felix auf den ersten Blick nicht sonderlich sympathisch war.
    Kurz darauf rauschte Cindy herein. »Hi, sorry, ich bin so spät, musste noch etwas telefonieren!«
    Die Wortwahl und der Akzent ließen keinen Zweifel: Amerikanerin. Während meiner Zeit am Goetheinstitut in Boston hatte ich etwas Erfahrung mit der amerikanischen Lebensweise gesammelt.
    »Hi, Cindy, I’m Hendrik, how’re you doing?«
    Sie sah mich erstaunt an. »Hallo, Hendrik, ganz schön, dass du da bist!«
    Ich war gerührt. Sie setzte sich neben mich. Während die Getränke bestellt wurden, erfuhr ich, dass sie aus Texas stammte und als Expertin für Musikgeschichte an der Musikhochschule Weimar arbeitete. Cindy war einer der Menschen, die während des Sprechens ständig in Bewegung waren. Sie gestikulierte unentwegt, zeigte immer wieder auf einen imaginären, fernen Punkt, drehte ihren Kopf dorthin, anschließend sofort wieder zu mir zurück, und ihre kurzen blonden Haaren wippten dabei aufgeregt hin und her. Ich mochte sie sofort.
    Es war drückend schwül im Raum und nur die weit geöffneten Glastüren sorgten für etwas frische Luft und machten es einigermaßen erträglich. Nachdem Thomas für Cindy einen Eistee gebracht hatte, richtete Benno das Wort an die Runde: »Liebe Freunde, wie bereits besprochen, wollen wir heute ein neues Mitglied in unserem Kreis willkommen heißen. Es ist mein Cousin Hendrik Wilmut, den ich hiermit herzlich begrüße!«
    Ich nickte kurz. Hoffentlich dachten die anderen nicht, dass ich mir als Cousin einen Vorteil verschaffen wollte, und hoffentlich … Ach Quatsch, nichts als dumme Gedanken eines Hessen in Thüringen.
    »Ich möchte ihn kurz vorstellen. Hendrik ist Weimarer, er wurde hier geboren.« Das war ein kluger Schachzug, die Gesichter entspannten sich.
    »Im Sophienhaus!«, ergänzte ich und alle lachten. Außer Felix Gensing. Das Sophienhaus war damals ein Krankenhaus. Einst eine Weimarer Institution, ist es heute lediglich ein Altersheim.
    »Hendrik hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaften studiert und war danach einige Jahre für das Goetheinstitut in Boston tätig. Später ging er zurück an die Universität Frankfurt und
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