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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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einem einzigen Verlangen sich löste: zu dir! »Warte doch um Gotteswillen nicht länger, Liebstes, und reise!« Und hingegebener von Sekunde zu Sekunde schmiegte er sich an sie, streichelte ihre dankbar rastenden Hände. »Was brauchst du dazubleiben, bis das Kind geboren ist? Freude, Gesundheit ist das Erste! Der Winter war zu wechselvoll, der Frühling gab dir nichts. Dort ist die Luft heiterer, das Haus mit seiner Mühe fern, jeder Tag ein Gewinn. Du mußt reisen!«
    »Und Ernst?«
    »Für Ernsten sorge ich. Ich habe mit Lichtenberg schon gesprochen.«
    »Wenn er aber am Ende doch mitkönnte?«
    »Dann kommt er mit mir nach. Loder und Starke wissen bereits, daß ein Consilium gehalten werden muß. Sobald ich nach Jena komme, und das ist, sobald die Geburt stattfand, führe ich sie herüber. Sagen sie darauf, daß er ins Karlsbad darf, dann reist er mit mir. Sagen sie »nein«, dann installiere ich ihn im Gartenhaus.«
    »Du kannst doch nicht für alle meine Kinder sorgen.«
    »Du!« Glanz unaussprechlicher Liebe erstand im verwandelten Gesicht. Weggewischt im Nu alle Grauheit, aller Abbruch, jede Bitterkeit, alle Härte. »Wenn ich's nur dürfte!«
    »Du hast ja schon den Fritz!«
    »Für den sorge doch nicht ich! Der sorgt ja für mich!« Und ohne sich noch zu sträuben gegen die Flut von Innigkeit, die, alle Dämme einreißend, in der heimatlechzenden Brust aufschoß, hob er die Hand, die ihr wonniges Lachen nicht sah, an seine Lippen empor und küßte sie hingerissen. »Der Bub gibt mir Unvergeltbares! Ist mir das Pfand unseres Bundes! Löscht alle Sünden aus, die ich – rede nicht, ich habe ein sicheres Gewissen! – an dir tausendmal, tausendmal begangen habe. Der bekommt ja die Frucht, die jetzt endlich aus den Wirrnissen meiner unerzogenen Liebe dir heranreift: Das Michselberentäußernkönnen; die Glut einer Dankbarkeit, die von Tag zu Tag heißer heranwächst im steigenden Licht der Erkenntnis: Was wäre ich ohne dich? Ohne dich je hier geworden?« Ah! Nur heraus jetzt mit allem, was in dieser nachtschwarzen Brust drin noch hell war! Noch Licht war! Und nicht noch lang denken daran, jetzt, daß das gleiche Beginnen hundertmal schon von Kühle, Erstaunen, Ahnungslosigkeit, Unverständnis des Herzens, dem es galt, war verscheucht und geköpft worden! Denn einmal muß sie überwältigt werden! Muß sie das Nichtmehrerträgliche dieses gebändigten Zustandes einsehen! Wenn sie ganz erfuhr, ganz , was sie alles ihm war! »Es ist kinderleicht«, fuhr er atemlos fort, »einem hinstürmenden Herzen die Wonne zu willfahren, die es flammend begehrt; kinderleicht, weil gewöhnlich. Aber einen ganzen Menschen durch das Chaos der Leidenschaft, des dumpfsten Besessenseins zum Mann erziehen, der im Tempel der Liebe wohnt, zur Liebe erst kam im freiwillig getragenen Joch der Selbstüberwindung, – das ist schwer, denn es ist heldisch! Wenn ich nachts nicht schlafen kann und die Menschen vor mir aufmarschieren lasse, die mich hier umgeben«, – ganz, ganz nahe gerückt war er ihr, dicht vor ihrem immer froher erwachenden Auge glomm sein entlodertes, plötzlich märchenhaft junges – »wer bleibt von all ihnen das Geschöpf, das mich mehrt, mich vermehrt? Du allein! Der Herzog? Gewiß! Nein, ich verkenne ihn nicht. Überschätze die Stimmungen nicht, die mich enttäuscht so oft von ihm reißen. Amalia? Auch! Ich verehre sie, liebe sie. Ehrlich! Daran ändert sich nichts mehr. Und Louise! Natürlich! Auch Herders. Sie haben den Weg zu mir wiedergefunden. Aber – bin ich auch nur von einem einzigen von ihnen innerlich abhängig? Ward nur durch einen einzigen von ihnen meine Entwicklung, im wesentlichen beeinflußt? Von keinem! Von niemand! Nach Weimar gekommen bin ich durch sie! In den Conseil gerufen, zum Geheimerat und zum Herrn von Goethe gemacht, – ungenießbar gemacht worden durch sie! Aber zum sittlichen Menschen, der die Triebe seines gewalttätigen Lebensinstinkts im Brennpunkt ihrer Masse durch Verzichten beherrscht , hast nur du mich gebildet! Es war mir nicht bequem!« – wie Flamme, die wild aus der Glut bricht: »Es ist mir nicht bequem! Aber mein heiligster Schatz, mein gekrönter Besitz ist's, zu fühlen: vor dem Manne bin ich der Mensch, der sich selber regiert! Das ist mir das Rückgrat in dieser Wanderschaft ohne richtigen Gang, die mich oft nach allen Windrichtungen hin zweifeln heißt, mich durch Abweg und Umweg ins Unnütze, durchs Indifferente verwirrt, ängstigt und plagt. O, oft geht mir die
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