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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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Fron bis da herauf an den Hals, ich schüttle mich, will es abwerfen, das unnatürliche Joch, – vor ein paar Tagen, Mittwoch, ich war morgens nach Tiefurt hinausgeritten, der elende Himmel, diese visionlose Grauluft ließ mir die Zähne knirschen unter den zornigen Augen, ich kam von ödesten Bagatellen, nach dem Ritte erwarteten mich noch ödere, – und die Herzogin-Mutter, wie sie mich da kommen sah auf dem lammfrommen Schimmel – weißgott kein Siegfried, nicht einmal ein Georg! – schlug die hochfürstlichen Hände überm Kopf zusammen und rief: . . . . .«
    »Richtig! Du!« Mitten hinein in den Orkan seiner Worte sprang verwegen die Stimme der Frau, die nun, in der köstlichen Sicherheit, daß er noch ihr gehörte, bei ihr allein noch der Gott war, der unsterblich machte, kein Bedenken mehr trug, die entfesselte Lohe zu stören. »Die Göchhausen war nach Tisch da; du sollst, wenn es nur halbwegs geht, nach Tiefurt. Wegen des Parks. Amalia will . . . .«
    »Morgen Mittag muß ich zu Louise.«
    »Was will sie?«
    »Es handelt sich um eine Transaktion mit ihrem Vermögen.«
    »Wie verständigst du dann Amalia?«
    Der Vulkan hatte die Flamme schon eingesteckt. Ein hoher, schöngebauter Berg war er nun, wie andere schöngebaute hohe Berge. »Ich werde Seideln ein Billett mitgeben«, sagte er einfach.
    Nach einer Pause, in der sie genau, aber reuelos merkte, daß sie ihn verstümmelt hatte, fragte Frau von Stein zaghaft: »Was hat die Herzogin-Mutter also ausgerufen?«
    Er zuckte nicht einmal zusammen. Auf ein Endchen Großzügigkeit mehr oder weniger kam es jetzt nicht mehr an. »Das Bild der vollendeten Glückseligkeit kommt angeritten! rief sie aus«, lachte er ohne jedweden Ausdruck, »der vollendeten Glückseligkeit!«
    »Und?«
    Ohne zu fassen, starrte er sie an. Gibt es also wirklich und wahrhaftig niemals – niemals! – ein ganzes Verstehen zwischen dem Einen und dem Andern? Aber auch dieses Gift trank er tapfer hinab. »Und ich dachte mir: was ihr nicht alles wißt! Selbst das erlogenste Bild davon habt nicht ihr mir angeschaffen, sondern nur sie!«
    Totenstille.
    Endlich, kühl, wie nur diese Frau kühl sein konnte, die keine Lebensmöglichkeit mehr sah, wenn sie dem rauschenden Strom ihrer Liebe die Schleusen einriß, sagte sie: »Du überschätzest mich.«
    Mit einem verzweifelten Heben des Kopfes zerriß er den Klang dieses Worts, vertrieb er die Engel der Sehnsucht, den letzten Hauch Hoffnung. Auch diese Frau wußte ihn nicht! »Was laset Ihr da?« Auf dem Tischchen, zwischen zwei weißen Porzellanblumenväschen mit unhübsch gedrehten Hälsen lag ein schmaler, schmutziger, aufgeschlagener Schweinslederband; gierig beugte er sich darüber.
    Schnell sie sich nach. »Die Aeneide Vergils.«
    »Wie kommt die daher?«
    »Knebel brachte sie mit. Es sind auch die Georgica in dem Bande. Er übersetzt sie und wollte mit Herdern darüber reden. Aber Herder machte nur schlechte Witze. Seine »Ideen«, sagte er, machen ihn ungerecht gegen »Idyllen«.
    »Und du willst . . . . .?«
    Da lachte ihr Mund wie der eines ganz jungen koketten Mädchens. »Mich reizt diese Dido. Ich versuche es.«
    Aber er hörte nicht mehr. Wie im Anfall eines plötzlichen Fiebers, mit zittrigen Fingern, begann er im Buche zu blättern. In fliegenden Stößen schoß ihm das gerufene Blut in die Wangen. Der Schein von ohnmächtiger Qual glomm auf in den tiefdunklen Augen. Endlich, wie gegen eine Gewalt, die unwiderstehlich bezwang, öffneten sich die Lippen, erbebten und lasen:
    »Dissimilare etiam sperasti, perfide tantum,
Posse nefas, tacitusque mea decedere terra?
Nec te noster amor, nec te data dextera quondam,
Nec moritura tenet crudeli funere Dido.«
    »Ich kann es nicht anders sagen« – wie ein Wahnsinniger sprang er auf, stürzte, an der Geliebten vorbei, an das Fenster, kam vom Fenster zurück, blieb mit ungeschickt platzlosen Armen vor ihr stehen – »ich kann kein lateinisch Buch mehr anschauen, – es tut mir ganz einfach weh! Weh! Weh!« Und mit Händen, die den Bringer dieses grausamen Schmerzes erwürgen wollten, warf er das Buch zu und schob es weit von sich weg in das Dunkel der polierten Platte. »Weimar, Ilmenau, Jena, Erfurt, Dessau, Gotha, Leipzig – und Leipzig, Gotha, Dessau, und so weiter und zurück bis nach Weimar, und immer wieder dieses Karussell!« Feindlich von ihr abgewendet, die Fäuste an den Schläfen, nichts als hilfloses Opfer von oben bis unten, stand er bebend. »Und ich bin
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