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Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft
Autoren: Beth Revis
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stürme, wird das Piepen des Senders immer lauter. Ich renne, ohne nachzudenken, und ohne jede Angst. Ich trage zwar jetzt eine von den Solarwaffen, verschwende aber keinen Gedanken an eine mögliche Gefahr, sprinte um Bäume herum und hechte über freiliegende Wurzeln. Ich renne an dem verkohlten Fleck Erde vorbei, auf dem immer noch die Trümmer des
Godspeed
-Shuttles liegen, und über die Lichtung, auf der Chris mich geküsst hat. Es ist mir egal, ob ich mich verlaufe oder ob ich jemals den Rückweg finde.
    Ich muss wissen, was sich am anderen Ende dieses Pieptons befindet.
    Im Laufen peitschen Zweige auf mich ein, zerkratzen mir Arme und Gesicht und bleiben an meinen Sachen hängen. Mein Herz pocht in meinen Ohren, im selben Takt wie das Piepen des Ortungssenders. Ich bin zum ersten Mal froh, ein Hybride zu sein, denn es sind meine Hybridmuskeln, die mich schneller rennen lassen als je zuvor.
    Ich komme näher.
    Immer näher.
    Ich werde langsamer und drehe mich einmal um sich selbst, um herauszufinden, von wo das Signal genau kommt. Meinen Augen entgeht kein Detail und ich schnuppere intensiv. Ich zwänge mich durch dichtes Gestrüpp und höre das Rascheln kleiner Tiere und Vögel, die vor mir flüchten.
     
    Und dann sehe ich sie.
     
    Die Fluchtkapsel.
     
    Sie ist eindeutig abgestürzt und hat dabei einen halben Baum weggerissen. Eine tiefe Furche in der Erde zeigt, wo sie aufgeschlagen ist. Das Feuer ist längst erloschen, aber ich kann die verbrannten Bäume riechen, die dem Flammenstrahl am Heck der Kapsel ausgesetzt waren.
    Die Nase der Kapsel ist zerknittert wie Papier, plattgedrückt und voller scharfer Metallkanten. Das Cockpit hat eine Haube aus Glas, aber sie ist so mit Schmutz bedeckt, dass ich nicht hineinsehen kann.
    Ich lasse den Ortungskompass fallen.
    Und schließe die Augen.
    Ich will nicht daran denken, dass ich gleich Juniors Leiche finden werde.
    Ich steige über den gebrochenen Flügel der Kapsel und suche auf meinem Weg zum Cockpit verzweifelt nach einem Halt. Ich finde keinen und rutsche ab, wobei ich mir den Arm an einer scharfen Kante aufreiße. Das Blut macht meine Hand glitschig.
    Schließlich am Cockpit angekommen, wische ich mit der Hand über das Glas und verschmiere mein Blut mit der Schmutzschicht. Ich starre mit meinen Hybridaugen hindurch und flehe sie an, mir zu zeigen, was im Cockpit ist.
    Nichts.
    Kein Junior – überhaupt niemand.
    Das Cockpit ist leer.
    »Amy?«, sagt jemand aus dem Wald. Ich fahre so schnell herum, dass ich erneut von der glatten Außenhaut der Kapsel abrutsche und mit einem metallischen Krachen auf dem Flügel lande. Sofort rappele ich mich wieder auf und starre hektisch in die Richtung, aus der die Stimme kam.
    Jemand tritt zwischen den Bäumen hervor.
    Groß, mit dunkler Haut, schwarzen Haaren und dunklen, leicht mandelförmigen Augen. Hohen Wangenknochen und vollen Lippen.
    Und obwohl mir mein Körper zuschreit, dass das
unmöglich
ist, jubelt mein Herz seinen Namen:
     
    Junior.
     
    Ich richte mich langsam auf. Und dann rennt er auch schon auf mich zu und ich renne auf ihn zu und wir fallen uns in die Arme und ich lache und weine und er ist schmutzig und humpelt und an seinem Kopf ist getrocknetes Blut und er hält einen Arm ganz komisch. Er schreit auf, als ich ihn berühre.
    Ich umfasse sein Gesicht mit zitternden Händen.
    Er
ist
es. Er ist es. Er ist es.
    »Als die
Godspeed
die Raumstation getroffen hat, verlor die Fluchtkapsel die Verbindung«, berichtet Junior, als ich endlich aufhöre, ihn zu küssen und ihn reden lasse. »Sie hat stattdessen das Signal der Anlage erfasst und es angesteuert. Ich wurde jedoch von der Explosion erwischt und vom Kurs abgebracht.«
    »Wieso bist du nicht früher zurückgekommen?«, frage ich.
    Juniors Stimme klingt heiser. »Ich hab’s versucht. Ich wusste nur nicht, wo ich bin.« Er sieht sich im Wald um. »Ich habe ganz in der Nähe einen Bach gefunden, also hatte ich Wasser. Und mein Bein.« Er schaut nach unten, und ich bemerke erst jetzt die behelfsmäßige Schiene, die er trägt. Er konnte nicht laufen und wusste auch nicht, wohin er gehen sollte.
    »Ich musste einfach hoffen, dass du mich findest«, sagt er.
    Dann kann er nicht weiterreden, weil ich ihn küsse, und ich denke nicht, dass ich jemals damit aufhören werde. Aber ich tue es dann doch. Ich sehe ihm in die Augen, und erst als ich das Licht in ihnen erkenne, weiß ich es mit Sicherheit.
Er ist zurück.
    Er ist dünn, viel dünner, als ich ihn
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