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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Autoren: Beth Revis
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doch gar nichts mehr, ganz zu schweigen von der zweiten. Die Sofortmaßnahmen sollten doch für neue Arbeitsplätze sorgen, oder? Aber wir haben gerade mal diesen Job gekriegt, der wieder vorbei ist, sobald die alle eingefroren sind.«
    Wieder Stille. Die Flüssigkeit lief jetzt über meine Knie und verbreitete Kälte an Körperteilen, die bisher noch warm gewesen waren – meine Kniekehlen, unter den Armen, unter den Brüsten.
    »Aber sein Leben dafür herzugeben, lohnt sich nicht, nicht bei dem, was dafür gezahlt wird.«
    Ed schnaubte. »Was sie zahlen? Die zahlen den Lohn eines ganzen Lebens, in einem einzigen Scheck.«
    »Das nützt dir gar nichts auf einem Raumschiff, das erst in dreihundertundeinem Jahr landet.«
    Mir blieb das Herz stehen. Dreihundert … und einem? Nein – das ist falsch. Es sind genau dreihundert Jahre. Nicht dreihundertundeins.
    »So viel Geld kann einer Familie wieder auf die Beine helfen. Das macht schon einen Unterschied.«
    »Was für einen Unterschied?«, fragte Hassan.
    »Ob man überlebt oder nicht. Es ist nicht mehr so wie zu unserer Kinderzeit. Mir ist egal, was der Präsident sagt, aber mit Haushaltskürzungen kriegen die diese Verschuldung nicht in den Griff.«
    Was quasseln die da? Wen interessieren die Staatsverschuldung und Arbeitsplätze? Los, redet wieder über das zusätzliche Jahr!
    »Darüber nachdenken sollte man schon«, fuhr Ed fort. »Alle Möglichkeiten durchgehen. Wieso haben die den Start schon wieder verschoben?«
    Die Flüssigkeit schwappte gegen meine Ohren, als der Schuhkarton volllief. Ich hob den Kopf. Verschoben? Wieso verschoben? Ich versuchte, trotz der Schläuche zu sprechen, aber sie füllten meinen Mund, hielten meine Zunge fest und erstickten meine Worte.
    »Keine Ahnung. Es hat irgendwas mit dem Treibstoff und der Auswertung der Proben zu tun. Ich frag mich nur, wieso sie uns trotzdem termingerecht mit dem Einfrieren weitermachen lassen.«
    Das Gefriermittel stieg jetzt schnell. Ich drehte den Kopf, um mit dem rechten Ohr weiter zuhören zu können.
    »Das stört doch keinen«, sagte Ed. »Die jedenfalls nicht – die verschlafen das alles. Es heißt, dass das Schiff dreihundert Jahre braucht, um den anderen Planeten zu erreichen – da ist ein Jahr mehr oder weniger doch egal.«
    Ich wollte mich aufsetzen. Meine Muskeln waren hart und verkrampft, aber ich kämpfte. Ich versuchte, wieder zu sprechen, einen Laut von mir zu geben, irgendeinen, aber die Flüssigkeit schwappte mir übers Gesicht.
    »Entspann dich«, sagte Ed laut und sehr dicht an meinem Ohr.
    Ich schüttelte den Kopf. Wieso begriffen die das nicht? Ein Jahr mehr oder weniger machte einen Riesenunterschied! Es war ein Jahr mehr, das ich mit Jason verbringen konnte, ein weiteres Jahr zum Leben ! Ich hatte mich für dreihundert Jahre verpflichtet … nicht für dreihundertundeins!
    Sanfte Hände – Hassans? – drückten mich unter die Flüssigkeit. Ich hielt den Atem an. Ich versuchte, mich aufzurichten. Ich wollte mein Jahr! Mein letztes Jahr – ein weiteres Jahr!
    »Atme die Flüssigkeit ein!« Eds Stimme klang gedämpft, fast unhörbar unter dem Schwappen. Ich wollte den Kopf schütteln, aber als sich meine Halsmuskeln anspannten, rebellierte meine Lunge, und die eiskalte Kryo-Flüssigkeit strömte durch meine Nase, an den Schläuchen vorbei und in meinen Körper.
    Ich spürte die Endgültigkeit, als der Deckel mich in meinem Schneewittchensarg einschloss.
    Während einer der beiden mich in mein Kühlfach schob, stellte ich mir vor, dass hinter dieser Tür schon mein Märchenprinz wartete, der mich wachküssen würde, damit wir noch ein ganzes weiteres Jahr hatten, das wir gemeinsam verbringen konnten.
    Es ertönte ein klick, klick, brrr von irgendwelchen technischen Geräten, und ich wusste, dass das Schockgefrieren jeden Augenblick passieren würde und dass mein Leben dann nicht mehr war als eine Dampfwolke, die durch die Ritzen in der Tür meines Kühlfachs entwich.
    Und ich dachte: Wenigstens werde ich schlafen. Ich werde die nächsten dreihundertundein Jahre einfach vergessen.
    Und dann dachte ich: Das wird schön sein.
    Und dann wuusch! Das Blitzgefrieren erfüllte die winzige Kammer. Ich war im Eis. Ich war Eis.
    Ich bin Eis.
    Aber wenn ich Eis bin, wieso weiß ich es? Ich sollte doch schlafen; ich sollte Jason und das Leben und die Erde für die nächsten dreihundertundein Jahre vergessen. Es sind schon vor mir Leute eingefroren worden und von denen war niemand bei
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