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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Autoren: Beth Revis
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Schuhkartonsarg. Mom schnaufte, als es ihre Nase erreichte.
    »Atmen Sie es einfach ein«, überschrie Ed das Rauschen der Flüssigkeit. »Entspannen Sie sich.«
    Eine Ladung Luftblasen schoss durch das blaue Wasser und verdeckte ihr Gesicht. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie dem Wasser verbieten, sie zu ertränken, doch einen Augenblick später gab sie auf. Die Flüssigkeit hatte sie bedeckt. Ed stellte die Zufuhr ab und die Wellen beruhigten sich. Das Wasser war still. So still wie sie.
    Ed und Hassan legten den Schuhkartondeckel über Mom. Sie schoben die Box zur hinteren Wand, und erst als sie sie hinter einer kleinen Tür in der Wand verschwinden ließen, bemerkte ich die vielen anderen Türen in dieser Wand – wie in einer Leichenhalle. Sie legten einen Hebel um. Eine zischende Dampfwolke schoss zur Tür hinaus und der Vorgang des Schockgefrierens war abgeschlossen. Vor einem Moment war Mom noch da gewesen, und im nächsten Augenblick war alles, was sie ausgemacht hatte, eingefroren und erstarrt. Für die nächsten drei Jahrhunderte war sie so gut wie tot, bis jemand diese Tür öffnete und sie aufweckte.
    »Jetzt das Mädchen?«, fragte Ed.
    Ich trat vor und ballte die Hände zu Fäusten, damit sie nicht zu sehr zitterten.
    »Nein«, sagte Dad.
    Ohne auf Dads Antwort zu warten, bereiteten Ed und Hassan den nächsten Schuhkartonsarg vor. Ihnen war es egal, wer darin liegen würde; sie machten nur ihren Job.
    »Was?«, fragte ich Dad.
    »Ich gehe als Nächstes. Deine Mutter wäre damit nicht einverstanden – sie hat befürchtet, dass du einen Rückzieher machen und dich entscheiden könntest, nicht mitzukommen. Nun, ich will dir diese Möglichkeit geben. Ich gehe als Nächster. Und wenn du dann beschließt, wegzugehen und dich nicht einfrieren zu lassen, ist das in Ordnung. Ich habe deiner Tante und deinem Onkel Bescheid gesagt. Sie warten draußen und sie werden noch bis fünf da sein. Wenn ich eingefroren bin, kannst du einfach gehen. Mom und ich werden es nicht merken, jedenfalls nicht die nächsten paar Jahrhunderte, bis sie uns auftauen. Wenn du also lieber leben willst, statt dich einfrieren zu lassen, ist das okay für uns.«
    »Aber, Dad, ich –«
    »Nein, es wäre nicht fair, wenn wir dir Schuldgefühle einreden, damit du mitkommst. Es wird dir leichter fallen, deine Entscheidung zu treffen, wenn du uns dabei nicht ansehen musst.«
    »Aber ich habe es dir versprochen. Und Mom.« Meine Stimme brach. Meine Augen brannten. Ich kniff sie zu. Trotzdem liefen mir zwei Tränen übers Gesicht.
    »Das ist egal. Bei einer so wichtigen Sache ist ein Versprechen eine Nummer zu groß, um es unter allen Umständen einhalten zu müssen. Du musst diese Entscheidung selbst treffen – wenn du bleiben willst, kann ich es verstehen. Ich biete dir einen Ausweg.«
    »Aber die brauchen dich doch gar nicht! Du könntest mit mir hierbleiben! Du bist doch gar nicht wichtig für die Mission – meine Güte, du bist beim Militär! Welchen Nutzen soll ein Einsatzanalytiker auf einem neuen Planeten haben? Du könntest hierbleiben, du könntest –«
    Dad schüttelte den Kopf.
    »– bei mir bleiben«, flüsterte ich, aber es hatte keinen Sinn, ihn zum Bleiben überreden zu wollen. Er hatte sich längst entschieden. Außerdem stimmte es nicht. Dad war die Nummer sechs in der Kommandokette, und auch wenn ihn das nicht zum Oberkommandierenden machte, war es doch ziemlich weit oben. Mom war auch wichtig; niemand war besser, wenn es um neue Genverbindungen ging, und sie brauchten sie, um Nutzpflanzen zu entwickeln, die auf dem neuen Planeten angebaut werden konnten.
    Ich war die Einzige, die vollkommen überflüssig war.
    Dad ging hinter den Vorhang, um sich auszuziehen, und als er wieder hervorkam, erlaubten ihm Ed und Hassan, sich auf dem Weg zur Gefrierkammer mit einem Handtuch zu bedecken. Als er sich in den Kasten legte, nahmen sie es ihm aber wieder weg. Ich zwang mich, ihm nur ins Gesicht zu sehen, um es für uns beide nicht noch schlimmer zu machen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, ein Ausdruck, den ich bei Dad nie zuvor gesehen hatte. Da bekam ich noch mehr Angst und meine Zweifel wuchsen. Ich sah zu, wie sie die beiden Infusionen legten. Ich sah zu, wie sie seine Augen versiegelten. Ich versuchte, mich in mich selbst zurückzuziehen, die entsetzten Schreie zu unterdrücken, die in meinem Kopf herumhallten, und aufrecht stehen zu bleiben, mit einer Wirbelsäule aus Eisen und einem Gesicht aus Stein. Als sie
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