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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist
Autoren: Lindsey Davis
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das diskrete Hocken um kleine Tische ausgeschlossen war. Wenn wir vorgegeben hätten, nur lukanische Würste bei uns zu tragen, hätte es passieren können, daß sich jemand seine edelsten Teile durch ein ungeschickt plaziertes Schwert abgesäbelt hätte. Also nahmen wir mit äußerster Vorsicht Platz.
    Der Wirt war ein finster blickender, abweisender Küstentyp, der sich schon bei unserem Eintritt seine Meinung gebildet hatte. »Wir wollten gerade schließen.« Offenbar machten wir einen gewalttätigen Eindruck.
    »Das tut mir leid.« Petronius hätte seinen offiziellen Status herauskehren und darauf bestehen können, daß wir bedient wurden, aber wie üblich ließ er erst mal seinen Charme spielen. Die Knappheit seiner Worte verscheuchte aber jeden Zweifel. Der Wirt wußte, daß ihm keine Wahl blieb. Er bediente uns, machte aber klar, daß er hoffte, uns bald von hinten zu sehen. Es sei zu spät in der Nacht, um sich noch Ärger einzuhandeln.
    Tja, da konnten wir ihm nur zustimmen.
     
    Wir waren alle nervös. Ich bemerkte, wie Martinus, der kleine Kampfhahn und Petros stellvertretender Kommandeur, einen tiefen Schluck nahm, dann immer wieder zur Tür ging und hinaussah. Die anderen ignorierten seine Unruhe. Schließlich ließ er sich mit seinem ziemlich großen Hinterteil auf einen Schemel an der Tür plumpsen, warf den anderen gelegentliche Bemerkungen zu, hielt den Blick aber auf das Hafenbecken gerichtet. In Petros Mannschaft war selbst der Truppenrüpel ein guter Offizier.
    Petronius und ich setzten uns allein an einen Tisch.
    Zwischen ihm und seinen Männern bestand eine starke Bindung. Petro war kein Schreibtischhengst. Er legte sich auch bei Routineermittlungen ins Zeug und übernahm bei Überwachungen genauso Schichten wie sie. Aber er und ich waren seit langem befreundet. Zwischen uns bestanden noch stärkere Bindungen, die aus der Zeit stammten, als wir mit achtzehn als Legionäre in einer der rauhesten Gegenden des Imperiums stationiert waren, die damals zu zweifelhaftem Ruhm kam – Britannien, zu Neros Zeiten, mit dem Aufstand der Boudicca als Dreingabe. Obwohl wir uns oft lange Zeit nicht sahen, konnten wir doch immer gleich den Faden wiederaufnehmen, als hätten wir erst am vergangenen Samstag gemeinsam eine Amphore geleert. Und wenn wir mit anderen eine Schenke betraten, war es selbstverständlich, daß wir beide uns allein an einen Tisch setzten, ein wenig abseits vom Rest.
    Petro nahm einen kräftigen Schluck und bereute es offensichtlich sofort. »Jupiter! Wenn du dieses Gebräu auf Warzen schmierst, fallen sie bis zum Abendessen ab … Also, wie war’s im fernen Arabien?«
    »Wilde Frauen und heimtückische Politik.«
    »Didius Falco, der Weltreisende!« Er glaubte nicht ein Wort davon. »Was ist denn nun wirklich passiert?«
    Ich grinste, gab ihm dann einen kurzen Abriß meiner fünfmonatigen Reise: »Hab mir von ein paar Kamelen die Ohren anknabbern lassen. Helena wurde von einem Skorpion gestochen und hat einen Haufen Geld ausgegeben – zu meinem Entzücken hauptsächlich das meines Vaters.« Wir hatten jede Menge Zeug mit zurückgebracht; Petro hatte versprochen, mir zum Dank für meine heutige Mitwirkung beim Abladen zu helfen. »Schließlich landete ich als Aushilfsautor für griechische Witze bei einem zweitklassigen Wandertheater.«
    Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Ich dachte, du warst im Sonderauftrag für den Palast unterwegs?«
    »Die bürokratische Mission hat ein rasches Ende gefunden – vor allem, nachdem ich rausfand, daß Vespasians Oberspion mir eine Botschaft vorausgeschickt und meinen Gastgeber ermutigt hat, mich einzusperren. Oder Schlimmeres«, schloß ich düster.
    »Anacrites? Dieser Schweinehund.« Petronius hatte nichts für Hofschranzen übrig, egal, mit welch schicken Titeln sie sich schmückten. »Hat er dir große Probleme bereitet?«
    »Ich hab’s überlebt.«
    Petronius runzelte die Stirn. Er betrachtete meine Karriere als eine Art verstopften Gulli, der eines kräftigen Stocherns mit einem Stock bedurfte, um den Dreck wieder zum Laufen zu bringen. Sich selbst betrachtete er als den Experten mit dem Stock. »Was sollte das Ganze, Falco? Weshalb sollte Vespasian einen erstklassigen Agenten abservieren?«
    »Gute Frage.« Es gab allerdings verschiedene Gründe, warum der Kaiser meinen konnte, ich sei in einem ausländischen Gefängnis gut aufgehoben. Ich war ein Emporkömmling, der nach sozialem Aufstieg gierte; da er was gegen Spitzel hatte, war ihm
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