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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist
Autoren: Lindsey Davis
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Märkten hinterher, während ich mich mit Scheidungsfallen kleiner Angestellter und Schreiber beschäftigte und gestohlene Kunstwerke aufspürte. Wir lebten in verschiedenen Welten, stolperten aber immer wieder über die gleichen Tragödien und hörten auf der Straße die gleichen besorgniserregenden Geschichten.
    Balbinus galt in unserem Bezirk als einer der dreckigsten Unterweltbosse, die je das kaiserliche Rom geziert hatten. Das von ihm terrorisierte Gebiet schloß Bordelle, Lagerhäuser am Hafen, Mietskasernen an den Hängen des Aventin und die dunklen Kolonnaden um den Circus Maximus mit ein. Für ihn arbeiteten Taschendiebe und Trickbetrüger; Prostituierte und Beutelschneider; Fassadenkletterer und plündernde Bettlerhorden, die sich als Blinde ausgaben und Schwierigkeiten immer rechtzeitig kommen sahen. Unter dem Deckmantel des ehrbaren Geschäftsmannes unterhielt er zwei Häuser, in denen er die Hehlerware entgegennahm. Petronius nahm an, daß in diesen Räuberhöhlen ähnlich viele Waren umgeschlagen wurden wie im internationalen Handel am Emporium.
    Seit Jahren hatte Petro Balbinus festnageln wollen. Jetzt war es ihm irgendwie gelungen, dem Mann ein Kapitalverbrechen anzuhängen und tatsächlich eine Verurteilung zu erreichen, allen Bemühungen Balbinus’, durch demokratische Kanäle (sprich Einschüchterung und Bestechung) zu entkommen, zum Trotz. Die Einzelheiten waren mir noch unbekannt. Kaum nach Rom von einer, wie ich es ausdrücken möchte, diplomatischen Geheimmission zurückgekehrt, war ich als verläßliche Hilfskraft und Freund in diese nächtliche Eskapade hineingezogen worden.
    »Weit und breit keine Spur von ihm«, meinte ich obenhin, weil ich wußte, wie stur Petro war.
    »Ich will kein Risiko eingehen.«
    »Na klar.«
    »Nerv mich nicht, Falco.«
    »Du bist derart gewissenhaft, daß du dir noch Knoten ins Hirn schlingst. Hör auf jemand Vernünftigen: Entweder hat er Rom gestern abend verlassen – dann hätten wir ihn inzwischen zu Gesicht gekriegt –, oder er hat sich erst mal schlafen gelegt. In dem Fall kommt er frühestens in ein bis zwei Stunden. Wann soll das Schiff abfahren?«
    »Sobald er da ist, wenn’s nach mir geht.«
    »Bei Tagesanbruch«, erläuterte Fusculus mit leiser Stimme. Woraus ich schloß, daß Petros Männer bereits ihren Kommentar zur Frage der Ankunft unseres Opfers abgegeben hatten. Da auch sie Petro kannten, war ihre Reaktion auf meinen Vorstoß verhalten. Sie hofften, daß er entweder auf seinen Freund hören oder wenigstens zu ihrer Unterhaltung beitragen, die Geduld verlieren und mir eine reinhauen würde.
    »Ich brauch was zu trinken«, bemerkte ich.
    »Halt die Schnauze, Falco. Der Trick ist uralt.« In der Dunkelheit war sein Gesicht nicht zu erkennen. Trotzdem schmunzelte ich in mich hinein; er wurde weich.
    Jetzt nur nicht weiter darauf herumreiten. Ich sagte nichts, und fünf Minuten später stieß Petronius Longus eine Obszönität hervor, die ich seit unserer Zeit in Britannien in der Öffentlichkeit nicht mehr gehört hatte. Dann knurrte er, ihm sei kalt, und sie könnten ihn mal – und verschwand in der nächsten Schenke, um sich mit einem Becher Wein zu trösten.
    Niemand kicherte. Inzwischen waren wir alle so erleichtert über sein Nachgeben, daß wir nicht daran dachten, uns an unserem Sieg zu weiden. Petro wußte das natürlich. Für so was hatte er ein hervorragendes Gespür. Martinus grummelte: »Holt lieber den armen Kerl von Bord. Das ist für lange Zeit seine letzte Chance.«
    Also brüllten wir Linus zu, er solle aufhören, den Seemann zu spielen, vom Schiff runterkommen und einen mit uns trinken gehen.

II
    Die Luft war voller Lampenrauch; etwas verwunderlich bei den wenigen Lampen, die auf den Tischen standen. Beim Eintreten knirschte etwas unter meinem Stiefel – entweder eine alte Austernschale oder die Überreste der Halskette einer Hure. Es schien eine Menge Unrat auf dem Boden zu liegen. Am besten, man schaute nicht allzu genau hin.
    Außer uns war niemand in der Kaschemme. Zumindest kein Gast. Zwei schmuddelige Schlampen rappelten sich halbwegs auf und sackten wieder in sich zusammen. Sie schienen sogar zu erschöpft, um neugierig zu sein. Trotzdem würden sie uns vermutlich belauschen, aber wir hatten nicht vor, laut irgendwelche Indiskretionen von uns zu geben. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
    Steif und unbequem in unseren dicken Umhängen, klemmten wir uns auf die Bänke. Wir waren alle bewaffnet, und zwar derart, daß
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