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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Lisa Unger
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fahren«, sagte sie, als sie Bethany erreicht hatte. Der Flur leerte sich, alle machten sich auf den Weg zu den Schulbussen. Willow schloss sich dem Strom an, nur für den Fall, dass ihre Mom nein sagen würde.
    »Willow …«
    »Wir kommen direkt nach Hause«, sagte sie.
    Nach der Nacht im Wald war Willow überzeugt, lebenslänglichen Hausarrest aufgebrummt zu bekommen. Stattdessen hatten sie und Bethany bis zum Morgengrauen geredet. Sie sprachen über alles, was nie auf den Tisch gekommen war – Willows Ausreißaktion in New York City, die Lügen, mit denen sie ihre Freundinnen verprellt hatte, wie einsam sie war, wie schuldig sie sich nach der Scheidung von Bethany und Richard gefühlt hatte. Sie wollte nicht sterben, ihrem Leben kein Ende machen, aber sie wollte verschwinden. Sich auflösen, unsichtbar sein. Sie konnte es kaum erklären, aber ihre Mutter schien zuzuhören und sie zu verstehen.
    Willow war ins Wasser gefallen, weil sie Jolie verfolgt hatte, weil sie wollte, dass Jolie zurückkam. Nach dem ersten Kälteschock war sie panisch geworden. Und als die Strömung sie davontrug und Cole und Jolie am Ufer entlangrannten, schrie sie nach ihrer Mom.
    In ihrer Todesangst glaubte sie, ihre Mutter könnte sie hören, würde ihr zu Hilfe eilen. Ihre Mutter war so wie die Mom in dem Buch, das sie so liebte. Und im Wasser wurde ihr klar, dass es immer gestimmt hatte; ihre Mutter war immer für sie da gewesen. Auch als sie Mr. Ivy zum Essen einlud. Gleichzeitig begriff Willow, dass sie, um gehört zu werden, in der Nähe ihrer Mutter bleiben musste. Und sie war auf Abwege geraten, war weit, weit weg. Ihre Mutter konnte sie nicht mehr hören.
    Mit einem Mal blieb sie mit dem Fuß hängen und wurde unter Wasser gezogen. Was danach passierte, wusste sie nicht mehr, nur dass sie irgendwann am Ufer lag und die Augen aufschlug und Cole und Jolie sah, die sie so entsetzt anstarrten wie eine Tote.
    All das erzählte sie ihrer Mutter. Zu ihrer großen Überraschung fing ihre Mutter nicht zu weinen an. Und weil ihre Mom so gefasst wirkte, erzählte Willow ihr von dem dunklen Abgrund, den sie manchmal in sich fühlte. Und warum sie Gene aus Ein anderer Frieden so gut verstehen konnte. Diesen dunklen Abgrund hatte sie gefühlt, als sie beim Abendessen so gemein zu ihr und Mr. Ivy war. Noch nie hatte Willow jemandem davon erzählt.
    Am nächsten Tag fuhren sie zu Dr. Cooper, um zu berichten, was ihnen zugestoßen war, und um zu erfahren, was sie tun konnten, damit sie zukünftig besser miteinander auskamen und einander mehr vertrauten. Hausarrest gehörte nicht zu den anvisierten Maßnahmen.
    Eigentlich war sie in diesem Moment dabei, eine der neuen Regeln aufzuweichen. Nicht bei Jungs aus der Schule mitfahren.
    »Sorry«, sagte Willow, »ich nehme den Bus.«
    »Er kann gern herkommen«, sagte Bethany. »Wir können Plätzchen backen.«
    Willow wollte einen frechen Kommentar darüber machen, dass sie nicht mehr drei war und Plätzchen zu backen sie nicht mehr reizte. Aber sie sagte nichts. Sie freute sich aufs Backen.
    »Ich muss mit dem Bus fahren«, sagte sie zu Cole und steckte das Handy ein. »Aber sie hat gesagt, du kannst gern vorbeikommen.«
    Auf einmal wurde sie unsicher. Wahrscheinlich würde er sie jetzt für eine unheimliche Langweilerin halten und zu Jolie fahren, die tun und lassen konnte, was sie wollte.
    »Super«, sagte er. »Bis gleich.«
    Er bemerkte ihren Blick und lächelte schüchtern.
    »Diesmal komme ich, versprochen.«
    Und dann war er verschwunden. Ihre Mom fand ihn zu alt für Willow. Im nächsten Jahr würde er in die Abschlussklasse gehen, und Willow wäre immer noch in der Mittelstufe. Ihre Mom fand, dass er zu viele Probleme hatte. Für einen Jugendlichen hat er ganz schön viel zu bewältigen. Sein Vater sitzt im Knast. Seine Mom ist arbeitslos. Ich möchte nur nicht, dass du unter seinen Problemen zu leiden hast. Was meinte sie damit? Natürlich folgte dann das obligatorische Aufklärungsgespräch. Willow sei noch zu jung, sie könne noch nicht verstehen, was Sex bedeute, sie dürfe sich in ihrem Alter noch nicht festlegen. Dann musste sie Bethany versprechen, mit ihr zu reden, falls es doch dazu kommen sollte, und zwar vorher. Willow fand es ekelhaft, solche Themen mit ihrer Mutter zu besprechen. Außerdem war Willow weit davon entfernt. Sie hatte nicht einmal Lust, daran zu denken .
    »Und du, wirst du mit Mr. Ivy schlafen?«, hatte sie entgegnet. Mit einem spöttischen Unterton zog sie seinen
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