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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Lisa Unger
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Arm und legte sie in die Mülltonne. Kurz darauf kam die Müllabfuhr. Die Kinder suchten ihre Katze bis heute und hofften, dass sie eines Tages zurückkommen würde.
    Claudia kannte alle Geheimnisse. Jedes ein kostbarer Edelstein, den sie hütete und versteckte. Er gehörte ihr, denn sie allein war wachsam.
    Sie hatte zugeschaut, als Marla Holt verschwand. Sie hatte darauf gewartet, dass Mack Holt von der Arbeit heimkam. Jeden Abend wartete sie darauf, dass er seinen Wagen in die Einfahrt lenkte. Welchen hatte er damals gefahren? Die Einzelheiten hatte Claudia vergessen. Langsam stieg er aus, nahm die Aktenmappe vom Rücksitz. Sie schaute zu, wenn er samstags den Rasen mähte und sonntags das Auto wusch. Besonders gern schaute sie zu, wenn er mit seinem Sohn in der Einfahrt Basketball spielte (obwohl der Lärm sie fast in den Wahnsinn trieb). Sie schaute gern zu, wenn er die Kleine im Kinderwagen spazieren schob, weil seine Frau einen Aufstand gemacht hatte. Mit dem ständig zerzausten Haar und seinen breiten Schultern erinnerte Mack sie an einen Mann, den sie einst geliebt hatte. Um genau zu sein: An den Mann, der schließlich ihre Schwester geheiratet hatte. Sie hatte ihn mit ihrer verschwenderischen, ewig unzufriedenen Art viel zu früh ins Grab gebracht. Womöglich sah nur Claudia es so. Sie hatte den Kontakt frühzeitig abgebrochen, um das Elend nicht länger mit ansehen zu müssen.
    Mack Holt war der einzige Nachbar in der Straße, der freundlich zu ihr war. Er winkte oder lächelte, wann immer er sie sah. An regnerischen Sonntagen hob er ihre Zeitung vom Bordstein auf und trug sie zur Tür. Aus Dankbarkeit behielt sie sein Haus im Auge.
    In jener Nacht saß sie am Fenster. Mack war immer noch nicht nach Hause gekommen. Stattdessen entdeckte Claudia Henry Ivy, der die Einfahrt heraufgeschlendert kam. Heute war Joggingtag. (Claudia fand es unziemlich für eine verheiratete Frau, sich mit anderen Männern herumzutreiben. Aber einer Marla Holt war alles zuzutrauen.)
    Der Junge kam angeradelt, warf sein Fahrrad auf den Rasen. Kurz darauf verließ Henry Ivy das Haus und das Geschrei fing an. Mack kam nach Hause. Noch mehr Geschrei, etwas ging zu Bruch. Dann sah Claudia, wie Marla durch die Hintertür in den Wald lief, Ehemann und Sohn dicht hinter ihr. Sie hätte die Polizei rufen sollen, sie hatte den Hörer bereits in der Hand gehabt. Was sie gesehen hatte, konnte nichts Gutes bedeuten. Ihre Nachbarin hielt sich für etwas Besonderes, trieb sich herum, empfing Herrenbesuch, während ihr Mann bei der Arbeit war. Tja, vielleicht hatte sie es nicht anders verdient.
    Viele Stunden später kamen Mack und Michael zurück. Der Junge war entweder krank oder betrunken. Mack schleifte ihn hinter sich her und brachte den Jungen ins Haus. Einige Minuten später trat er auf die hintere Veranda, lehnte sich schwer ans Geländer und starrte in den Wald. Claudia konnte ihn im bernsteingelben Schein der Küchenlampe deutlich erkennen. In ihrem Haus brannte kein Licht und sie saß hinter einem Vorhang, sodass Mack sie nicht sehen konnte.
    Plötzlich drehte er sich um und starrte herüber, so als wisse er, dass sie zuschaute. Lange Zeit betrachtete er ihr Haus. Da wusste sie, er wünschte sich, dass sie schwieg. Und weil Mack Holt sie daran erinnerte, wie es war, jung und verliebt zu sein, weil er freundlich zu ihr war, wo andere sie ignorierten, schwor sie sich in diesem Augenblick, ihr Wissen mit ins Grab zu nehmen. Sie würde sich an ihr Versprechen halten, auch jetzt noch, wo Mack unter der Erde war. Sie würde das Geheimnis schützen, egal, wer vor ihrer Tür stand.
    Als die Polizei damals anklopfte, hatte sie ausgesagt, sie habe eine schwarze Limousine beobachtet. Marla Holt sei eingestiegen und davongefahren. Claudia hatte das tatsächlich gesehen, viele Male; der Wagen hielt, und die hübsch zurechtgemachte Marla kam aus dem Haus gelaufen und sprang hinein. Einmal hatte sie ein Köfferchen dabeigehabt. Claudia hatte es mit eigenen Augen gesehen, nur eben nicht in der Nacht, als Marla verschwand.
    Von all ihren Geheimnissen war dieses ihr kostbarstes gewesen. Als sie nun am Fenster saß und zusah, wie im Haus der Holts das Licht anging, auch in Zimmern, die seit Jahren niemand genutzt hatte, wusste sie, dass man die Wahrheit aufgedeckt hatte. Sie war böse und verbittert, so als hätte man ihr einen Schatz genommen.
    Sie ließ die Jalousien herunter und ging zu Bett.

ACHTUNDDREISSIG
    T HE HOLLOWS IST ZUM KOTZEN , kritzelte
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