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Glut der Herzen - Roman

Glut der Herzen - Roman

Titel: Glut der Herzen - Roman
Autoren: Amanda Quick
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einzuverleiben. Die Gabeln hielten mitten in der Bewegung inne, als die Mädchen den Neuankömmling verblüfft anstarrten. Elegante Damen, auch jene, die gern die Wohltäterin spielten, ließen niemals zu, dass sie von der Gegenwart gefallener Frauen befleckt wurden. Und die Witwe war unbestritten eine sehr elegante Dame.
    Von Kopf bis Fuß modisch in hinreißende Schattierungen von Schwarz, Silber und Grau gekleidet verbarg sie ihre Züge hinter dem schwarzen Spitzenschleier ihres feinen Samthutes. Der Rock ihres Kleides war in kunstvolle Falten gelegt und am Saum mit einem Volant besetzt, um den teuren Stoff vor Schmutz und Unrat des Pflasters zu schützen. Die Spitze eines zierlichen grauen Knöpfstiefels lugte unter dem Volant hervor. Schwarze Handschuhe umhüllten die Hände der Dame.
    »Guten Morgen«, sagte die Witwe. »Ich freue mich, dass ihr bei so gutem Appetit seid. Ein gutes Zeichen.«
    Irene Brinks schloss verspätet den Mund. Sie sprang vom Ende der Bank auf und brachte einen kleinen Knicks zustande. Lautes Scharren auf den Dielenbrettern ertönte,
als die vier Gefährtinnen die Bank zurückschoben und aufstanden.
    »Behaltet Platz und esst ruhig weiter«, sagte die Witwe. »Ich wollte nur ein Wörtchen mit Mrs Mallory reden.«
    Die kleine, untersetzte, freundlich aussehende Frau am Herd wischte sich die Hände an der Schürze ab und schenkte der Witwe ein strahlendes Lächeln.
    »Guten Morgen, Ma’am«, sagte Mrs Mallory. »Heute sind Sie früh dran.«
    »Ich wollte sehen, wie Sie nach der Aufregung der letzten Nacht zurechtkommen«, antwortete die Witwe lebhaft. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, allerdings.« Mrs Mallory glühte vor Befriedigung. »Wie Sie sehen, langen die jungen Frauen beim Frühstück tüchtig zu. Vermutlich ist es für sie seit Langem die erste anständige Mahlzeit.«
    »So wie letztes Mal«, sagte die Witwe, doch sie sagte es ganz leise. »Die Mädchen sind halb verhungert.«
    »Ja, leider. Aber das kriegen wir schon hin.«
    Irene rührte sich nicht. Auch die anderen Mädchen standen reglos da, unsicher, wie sie sich verhalten sollten. Mit Sozialreformerinnen wie Mrs Mallory hatten sie bereits einige Erfahrung, nichts in ihrem bisherigen Leben aber hatte sie auf die Witwe vorbereitet.
    Die Witwe sah sie freundlich an. »Setzt euch und lasst euch das Frühstück schmecken, meine Damen.«
    Irene und die anderen blickten verstohlen um sich, um zu sehen, ob richtige Damen in der Küche waren. Verspätet ging ihnen auf, dass die Witwe sie angesprochen hatte, und sie setzten sich rasch.

    Mrs Mallory trat auf die Witwe zu. Die zwei Frauen fuhren fort, sich leise zu unterhalten. Da die Küche des Wohlfahrtsheims nicht groß war, konnte Irene mithören, was gesprochen wurde. Sie war sicher, dass auch die anderen Mädchen lauschten, wenn sie auch wie sie selbst so taten, als nähme das Essen sie völlig in Anspruch. Kein großes Kunststück, dachte Irene. Alle waren sehr hungrig.
    Als man sie in der Nacht zuvor nach der Flucht aus dem brennenden Bordell in Droschken verfrachtet und fortgeschafft hatte, waren sie in Panik geraten. Zwar hatten die Männer, die sie gepackt hatten, beruhigend auf sie eingeredet, doch der Freundlichkeit von Fremden war nicht zu trauen, wie Irene und ihre Gefährtinnen sehr wohl wussten. Sie nahmen an, dass ein konkurrierender Bordellinhaber sie entführt hatte, der sie sehr bald zu derselben Arbeit zwingen würde, der sie auch im Hurenhaus an der Avery Street nachgegangen waren. Sie alle wussten, dass es keine andere Zukunft gab, wenn ein Mädchen sich erst einmal ihr Geld auf dem Rücken liegend verdient hatte.
    Aber auch Huren haben Träume, dachte Irene. Ein Mädchen konnte sich immer der Hoffnung hingeben, ein Gentleman würde Gefallen an ihr finden und ihr ein paar hübsche Klunker schenken, ja sie sogar als seine Geliebte etablieren. Zugegeben, die Chancen waren gering, aber diese Möglichkeit hielt einen am Leben. Gab ein Mädchen seine Träume auf, waren Opium und Gin die einzigen Alternativen. Irene war entschlossen, nicht diesen Weg zu gehen.
    Bei der Ankunft im Heim waren sie mit heißen Muffins und Tee empfangen worden. Es war von Anfang an klar, dass Mrs Mallory eine typische Sozialreformerin und
keine Puffmutter war. Irene und die anderen hatten sich auf das Essen gestürzt, wohl wissend, dass die Zuflucht in diesem Heim nur von kurzer Dauer wäre. Sozialreformerinnen hatten immer die besten Absichten, es fehlte ihnen aber an gesundem
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