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Glut der Herzen - Roman

Glut der Herzen - Roman

Titel: Glut der Herzen - Roman
Autoren: Amanda Quick
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Menschenverstand. Sie wussten nicht annähernd Bescheid, wie es in der Welt von Irene und ihren Freundinnen zuging.
    Sozialreformer konnten einem Mädchen bestenfalls das Arbeitshaus bieten oder, als absoluten Gipfel, ein mühseliges Leben als Dienstmädchen. Aber auch dieses kümmerliche Dasein war meist nicht von langer Dauer. Kam die Dame des Hauses dahinter, dass das neue Mädchen eine ehemalige Hure war, folgte die sofortige Entlassung ohne Arbeitszeugnis. Da zog es Irene vor, sich an ihre Träume zu klammern, so unerfüllbar ihr diese zuweilen auch erscheinen mochten.
    »Das Bordell an der Avery Street ist in puncto Verpflegung noch knickriger als andere«, sagte Mrs Mallory zu der Witwe. »Dort glaubt man, die Mädchen würden jünger aussehen, wenn sie dünn sind. Wie Sie wissen, verkehren dort vor allem Kunden, die es auf blutjunge Dinger abgesehen haben.«
    »Wenn die Mädchen überleben, sind sie mit achtzehn schon alt«, antwortete die Witwe. »Dann setzt man sie auf die Straße. Wir müssen alles daransetzen, dass uns aus dieser Gruppe keine abhandenkommt. Die Älteste kann höchstens fünfzehn sein.«
    Ihre Stimme war kühl, leise und ganz ruhig. Irene spürte, dass die Witwe nicht eine jener Damen war, die sich mit Sozialarbeit nur abgaben, weil es als schick galt.

    Die Witwe durchschritt die Küche und blieb am Kopf des Tisches stehen. Wieder sprangen die Mädchen verlegen auf.
    »Ich weiß, dass ihr verängstigt und verwirrt seid«, sagte die Witwe, »doch ich möchte euch versichern, dass ihr hier in Sicherheit seid. Mrs Mallory wird sich um eure Bedürfnisse kümmern. Männern ist der Zutritt zu diesem Haus verboten. Die Türen sind verschlossen und verriegelt. Ihr werdet mit anständiger Kleidung ausgestattet und morgen in meine Akademie für junge Damen gebracht, ein Internat für Mädchen wie euch.«
    Irene konnte ihren Ohren nicht trauen. Sie wusste, dass die anderen ebenso verdutzt waren.
    »’tschuldigung, Ma’am«, meldete Lizzie sich zu Wort. »Soll das heißen, dass Sie uns in ein anderes Bordell bringen lassen?«
    »Nein. Ich schicke euch auf eine anständige Schule«, sagte die Witwe mit fester Stimme. »Dort werdet ihr saubere Betten und Schuluniformen haben, und ihr werdet Unterricht bekommen. Wenn ihr fertig seid, werdet ihr mit eigenem Geld in die Welt hinausgehen, damit ihr sicher auf eigenen Beinen stehen könnt. Ihr werdet Arbeit als Schreibkraft, Schneiderin oder Modistin finden. Einige werden sich mit dem Geld vielleicht ein kleines Geschäft aufbauen wollen. Wer also mein Angebot nutzt, dem steht die Zukunft offen.«
    Irene senkte den Blick auf den Rest der Rühreier. Die anderen Mädchen folgten ihrem Beispiel. Der Witwe mochte ihre Rettung ein ehrliches Anliegen sein, doch die feinen Damen waren nicht immer besonders intelligent.

    Wieder war es Lizzie, die sich tapfer vorwagte. »Verzeihung, Madam, aber wir können keine richtige Schule besuchen.«
    »Warum nicht? Hat jemand Familie, zu der er zurückkehren möchte? Gibt es ehrbare Angehörige, die für euch sorgen können?«
    Die Mädchen schluckten schwer und tauschten Blicke.
    Lizzie räusperte sich. »Nein, Madam. Mein Pa war es, der mich an die Avery Street verkaufte. Der will mich sicher nicht zurück.«
    »Meine Eltern starben letztes Jahr an Lungenfieber«, erklärte Sally. »Ich landete im Arbeitshaus. Die Leiterin des Bordells holte mich dort heraus. Ich würde eine Stelle als Hausmädchen bekommen, sagte sie. Aber es kam anders.«
    Irene hielt sich mit ihrer eigenen Geschichte zurück. Sie war ähnlich.
    »Wie ich es mir dachte«, sagte die Witwe. »Also, ihr könnt sicher sein, dass ihr nun die Möglichkeit habt, ein neues Leben zu beginnen.«
    »Aber wir sind Huren«, wandte Lizzie ein. »Huren besuchen keine anständige Schule.«
    »Diese Schule schon«, entgegnete die Witwe. »Ich bin die Besitzerin und setze die Regeln fest.«
    Sally räusperte sich. »Aber was nützt uns das? Verstehen Sie denn nicht? Auch wenn wir auf der Schreibmaschine tippen oder schöne Hüte zu machen lernen, wird uns niemand anstellen, da wir einmal Huren waren.«
    »Vertrau mir«, sagte die Witwe. »Ihr werdet für immer verschwinden. Und wenn ihr meine Akademie verlasst,
werdet ihr ehrbare junge Frauen mit makellosem Hintergrund sein. Ihr werdet neue Namen und neue Identitäten haben. Niemand wird erfahren, dass ihr jemals in einem Bordell gearbeitet habt.«
    Das erklärt alles, dachte Irene. Die Witwe ist verrückt.
    »Aber wenn
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