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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust
Autoren: Laura Simon
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und Mardak schnallte sich den Gürtel wieder um. Nefertem versuchte auf die Füße zu kommen. Er musste sich von Hardu aufhelfen lassen, der das recht grob tat. Ein dicker Striemen zeichnete sich auf seiner Schulter ab, und er atmete erschöpft.
    »Es ist bald hell genug«, bemerkte Ursu-Gila. »Dann könnten wir die Frau finden.«
    Nachdenklich zupfte Schanherib an seinem Bart, während er den Blick noch einmal über das Uferschilf und den angeschwollenen Fluss schweifen ließ. Schnatternde Enten zeigten sich als kleine schwarze Fleckenauf der stetig heller werdenden Wasseroberfläche. Die Barke trieb führerlos flussabwärts; ihr buntbemalter Hecksteven streifte die Schilfrohre und ließ sie knistern. Er hatte die Fackel, mit der Hardu sie in Brand hatte setzen wollen, über Bord geworfen, weil nicht auszuschließen war, dass sich das Mädchen ganz in der Nähe aufhielt und dann in Gefahr geriet.
    Er verzog die Lippen. »Der König nimmt Memphis ein, und wir stapfen hier wie Vogelfänger durchs Schilf, um ein Mädchen zu suchen! Der Tajti … wie hieß er noch gleich?«
    Die Frage galt seinen Männern, nicht dem Ägypter. Eine Beleidigung, die der Junge verstand, denn er starrte finster vor sich hin. Nein, Nefertem war kein Feigling, er hatte nur nie lernen müssen, mutig seinen Mann zu stehen.
    »Mentuhotep«, warf Hardu ein.
    »Ja, Mentuhotep. Er wird den Verlust einer Tochter leichter verschmerzen. Der Sohn ist viel wichtiger, um ihn zu erpressen. Belassen wir es dabei.«
    »Gelten die Töchter bei euch so wenig?«, empörte sich der Ägypter. »Hier ist das nicht so, und er würde um sie trauern, wie er es um mich täte!«
    Schanherib musterte ihn geringschätzig. War es die Unerfahrenheit, die den Jungen veranlasste, solche Dinge preiszugeben? Oder doch Dummheit? »Vielleicht muss er das ja«, sagte er langsam. »Vielleicht ist sie ertrunken.«
    Er wartete, dass Nefertem voller Stolz herausplatzte, ägyptische Frauen seien hervorragende Schwimmerinnen – irgendeine Bemerkung, die einen Hinweis enthielt, wo man sie suchen könnte. Aber der Junge schwieg.
    »Sie ist ertrunken«, setzte Schanherib noch einmal an, und als das nicht fruchtete, schlug er mit der Zügelschlaufe auf den Hals des Gilzaners und stieß ihm die Fersen in die Seiten. »Und jetzt zurück in die Stadt. Es wird ein heißer Tag, wir sollten ihn hier nicht vertändeln.«
    Er schwitzte jetzt schon unter seiner Rüstung, und das nasse Leinenhemd darunter begann auf seiner Haut zu jucken. Ohne weiter auf die anderen zu achten, trieb er sein Pferd zum Galopp an, um die Stadt so rasch wie möglich zu erreichen. Er hatte seinen Auftrag erfüllt, und wenn er Glück hatte, würden die ägyptischen Krieger ihm in den Straßen der Stadt einen guten Kampf liefern, bevor er siegreich in ein großes Anwesen einzog, wo ihm zarte Frauenhände in einem der künstlich angelegten Badebecken den Schweiß vom Leib wuschen. Brauchte er mehr? Am Morgen das Pferd unter sich, am Abend ein hübsches, williges Weib, und dazwischen ein Kampf zum Ruhm seines Landes und seiner Selbst. Der Wind blies ihm die Haare aus dem Gesicht, und das wilde Auf und Ab des Pferdes ließ seinen Körper vibrieren. »Assur ist Herrscher der Welt!«, schrie er und reckte die Faust.

    Das Gebrüll des schrecklichen Mannes klang Merit noch in den Ohren, als er mitsamt seinen Männern längst fort war. Sie hielt Tanis Mitte umschlungen, während Tani sich an ihren Schultern festhielt. So hockten sie aneinandergeklammert im Schilf und bewegten sich nicht, nur haltlos schlottern, das taten sie, obwohl der aufsteigende Sonnengott Rê-Harachte ihre Gesichter wärmte. Merit fühlte sich entsetzlich verlassen. Heute gab es auf dem Fluss keine Binsenboote.

    Keine Barken, keine großen Byblosschiffe, die von den Ländern am Großen Grün, dem nördlichen Meer, duftendes Zedernholz, kretischen Wein, Bronze, Gewürze oder edle Türkise brachten.
    Nur zwei Wegstunden von hier entfernt ächzte die alte, ruhmreiche Stadt unter dem Ansturm der Feinde. Merit malte sich aus, wie die assyrischen Eroberer durch die Straßen und Gassen stürmten, die Mauern des Königspalastes, der hochherrschaftlichen Anwesen und der Tempel niederrissen, die Götter in ihren allerheiligsten Räumen stürzten und Tische und Stühle zu gewaltigen Holzstößen aufschichteten, in denen sie geschändete Frauen zu Ehren ihres schrecklichen Assur verbrannten.
    Und mitten in diesem Schrecken ihr Vater mitsamt all seinen
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