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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Autoren: Marcus Imbsweiler
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das war die Taktik der anderen. Katinka hatte keinen Turbo. Sie war der
Diesel unter den Läufermaschinen, ideal für 42,2 Kilometer auf Asphalt.
    »Na los«,
presste ich zwischen den Zähnen hervor. »Das schaffst du!«
    Doch sie
schaffte es nicht. Die beiden Polinnen legten noch einmal einen Zahn zu und machten
den Sieg unter sich aus. Krzysztyna vor Tatjana, oder umgekehrt. Eine halbe Runde
vor dem Ziel mogelte sich auch noch die kleine Tschechin an Katinka vorbei und feierte
ihren dritten Platz ausgelassen. Katinka lächelte trotzdem, winkte beidhändig, gratulierte
der Konkurrenz. Ihre Bubifrisur ließ sie viel frischer aussehen als die anderen.
    Der Mann
neben mir hatte sich erhoben. Erst jetzt fiel mir auf, wie groß er war. Mit seinen
langen Beinen machte er einen Storchenschritt über unsere Sitzreihe und ging. Jedenfalls
dachte ich, er würde gehen. Dann aber spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und
hörte seine Stimme an meinem Ohr.
    »Richten
Sie ihr etwas aus, junger Mann«, raunte er. »Sagen Sie ihr, dass Olympia ohne sie
stattfinden wird.«
    Ich war
so verdattert über diesen Satz, dass ich ihn weder kommentieren konnte, noch zu
sonst einer Reaktion fähig war. Ich starrte bloß geradeaus ins weite Oval der Europahalle.
    »Verstanden?
Katinka Glück wird nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Sagen Sie ihr, dass
es besser so ist. Mit guten Wünschen von Freunden. Hier, geben Sie ihr das.«
    Der Briefumschlag,
den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, fiel in meinen Schoß. Ich glotzte
auf den Umschlag, als enthalte er etwas Explosives, und rührte mich nicht. Erst
nach ein paar Sekunden schnappte ich ihn mir, sprang auf und drehte mich um.
    Oben, am
höchsten Punkt der Halle, verschwand eben der helle Mantel des Blonden hinter einem
Grüppchen von Besuchern. Hastig drängte ich mich an meinen Nachbarn vorbei, erreichte
die Treppe und eilte sie empor. Auf halber Höhe rannte ich gegen einen beleibten
Kerl mit Tasche, der im falschen Moment einen Schritt zur Seite gemacht hatte.
    »Sorry«,
sagte ich und wäre fast gefallen, weil der Dicke das Gleichgewicht verloren hatte
und sich verzweifelt an mir festklammerte. Bis ich mich befreit und ihn umrundet
hatte, verstrichen wertvolle Sekunden.
    Auf der
obersten Stufe angekommen, war kein heller Mantel mehr zu sehen. Ich stürmte durch
sämtliche Etagen des Gebäudes, schaute in Gänge, hinter Ecken, fragte einen vom
Personal – nichts. Der Typ blieb unauffindbar. Ein simpler Überrumpelungseffekt
nur, aber der hatte ihm genügt, um zu türmen.
    Unverrichteter
Dinge kehrte ich an meinen Platz zurück. Es quietschte jämmerlich, als ich mich
niederließ. Unten stand Katinka, eine Wasserflasche in der Hand. Sie hatte sich
etwas übergezogen und würde gleich zu mir nach oben kommen.
    Sollte ich
ihr überhaupt von dem Unbekannten erzählen?
    Der Umschlag
war nicht verschlossen. Er enthielt vier Flugtickets für die Seychellen, ausgestellt
auf Katinka, ihren Mann und die beiden Kinder. Dazu das Prospekt eines schicken
Sea Resort mit All-Inclusive-Paket. Als Datum für den Abflug war der 27. Juli 2012
eingetragen.
    Am 27. Juli
sollten die Olympischen Sommerspiele in London beginnen.
     
     
     
     

2
     
    Der Startschuss zur Rettung des
deutschen Spitzensports fiel vier Wochen vor den Karlsruher Ereignissen in Mannheim,
und als er fiel, dröhnte mir der Schädel.
    »Grippe?«,
fragte Dr. Eichelscheid mitfühlend.
    Ich nickte.
    »Meine Sekretärin
soll Ihnen einen Erkältungstee machen«, schnarrte Herr Harboth und begann, auf dem
Display seiner beeindruckenden Multifunktionsanlage herumzufingern.
    »Tee?«,
krächzte ich entsetzt.
    »Oder wünschen
Sie etwas anderes?«
    »Danke,
Tee ist schon … Aber bitte mit zwei Aspirin, wenn möglich. Pro Tasse.«
    »Bei mir
gehen Grippeattacken auch immer mit Kopfweh einher«, bestätigte Dr. Eichelscheid.
»Verheerend ist das!«
    Ich zog
die Nase hoch und hustete vernehmlich. Nur so zur Sicherheit.
    Nachdem
Harboth meine Wünsche durchgegeben hatte, trommelte er ein letztes Mal auf dem Display
herum. Eigentlich seltsam, dass die Apparatur nicht imstande war, Tee zu servieren.
Stattdessen musste eine Sekretärin daran glauben. Beziehungsweise ich, denn ich
hasste Tee. Aber Grippe war die einzige Möglichkeit, meine beiden Gastgeber von
der wahren Ursache meiner Kopfschmerzen abzulenken.
    »Haben Sie
gut hierher gefunden?«, erkundigte sich Dr. Eichelscheid. Er war wirklich sehr besorgt
um mich. »Mit
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