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Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen

Titel: Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen - und andere sie täglich nutzen
Autoren: Hermann Scherer
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Schnur. Denn Chancen bilden Ketten, Cluster. Und wie das immer ist: Hinterher sieht alles ganz einfach aus. So zwingend, so logisch.
    |22| Einer, der das meisterhaft beherrscht, fing als Witzfigur an und wird die ganz Großen im deutschen TV beerben: Stefan Raab. Als Metzger fehlt ihm schon von Berufs wegen jeder Skrupel. Er hatte schon früh ein Problem entdeckt. Ralf Siegels Würgegriff hatte eines der größten TV-Events der Welt, den »Grand Prix de la Chanson d’Eurovision«, in Deutschland zu einer Lachnummer verkommen lassen. Nur noch für Omakränzchen und die Gay-Community konsumierbar, die sich mit einem Augenzwinkern an der Paradiesvogelei erfreute. Dann kam der Fernsehmetzger. Mit »Wadde hadde dudde da« veralberte er die Veranstaltung auf ihrem Hochaltar. Und viele Entertainer hätten eine Grand-Prix-Teilnahme schon als Höhepunkt ihrer Karriere gefeiert. Doch Raab hatte Blut geleckt. Das war erst seine Lehrlingsarbeit.
    Mit so einer großen, alten Marke wie dem Grand Prix musste mehr machbar sein in Deutschland. Er baute eigene Kandidaten auf und schickte sie in den Wettbewerb. Mit überraschenden Ergebnissen. Sein Gesellenstück war der »Bundesvision Song Contest«. Hier spielte er mit den Möglichkeiten seiner hauseigenen Produktionsfirma die Veranstaltung auf nationaler Ebene nach. Und machte so die Granden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks neugierig. Gemeinsam richteten sie den nationalen Vorentscheid aus. Das Ergebnis ging hoch wie ein Satellit, setzte sich in Oslo die Krone auf und singt sich seitdem durch die Charts: Lena – Raabs Meisterstück.
    Chancen pfeifen nämlich auf Regeln.
    Chance ist
Reframing
. Ein Prozess wird in einen völlig neuen Kontext gestellt. Das gelingt nur wenigen. Weil nur wenige anarchisch genug denken. Die Regeln, denen die Mehrheit ihre Gehirne oft bestürzend vollständig überantwortet hat, löschen jeden Zündfunken. Chancen pfeifen nämlich auf Regeln. Punkt sechs.
    So sind also Chancen. Und wie sind die potenziellen Chancenverwerter? Vor allem eines: voller Hoffnung!
    Gehofft, geplant und abgehakt
    Als das Lebensmittelgeschäft meines Vaters vor dem Aus stand, hatte er in seiner höchsten Not einen Brief an Otto Wiesheu geschrieben, |23| damals Bayrischer Wirtschaftsminister. Als rechtschaffener Bürger, Steuerzahler, Respektsperson mit tadellosem Leumund, als verantwortungsvoller Brötchengeber und Stütze des öffentlichen Lebens in Gemeinde und Partei bat Vater um Hilfe und hoffte, der Wiesheu würde ihn da raushauen. Er hätte auch an Superman oder das Sandmännchen schreiben können. Das war mir von Anfang an klar. Und ich konnte Vaters kindlichen Versuch innerlich nur mühsam mit seiner Verzweiflung rechtfertigen, den Totengräbern seines Lebenswerkes ins Auge blicken zu müssen. Monatelang kam gar nichts. Ich sehe ihn noch heute mit leerem Blick am Briefkasten stehen. Irgendwann kam ein Brief mit lauwarmen Worten und den besten Wünschen für die Zukunft.
    Die Hoffnung, dass andere etwas bewegen, ist Selbstaufgabe.
    Die Hoffnung, dass andere etwas bewegen, ist Selbstaufgabe. Medien, Parteien, manche antiquierten Verbände – sie schläfern die Menschen ein. Sie betäuben uns mit Hoffnung. Damit alles so bleibt, wie es war, vor allem ihnen ihr Posten erhalten bleibt. So wie der Fortschritt der Medizin mit einer stetigen Verschlechterung der Volksgesundheit einhergeht, so erhöht die Politik mit stetig steigenden Steuern und Abgaben die Unfähigkeit zur Selbstverantwortung. Das ist aus Sicht der Mediziner und Politiker und aller von ihnen Abhängigen ein durchaus logisches und sinnvolles Konzept, das ganz offensichtlich dauerhaft funktioniert, denn es erhält sich selbst am Leben. Es ist nur für die Behandelten und Regierten nicht ganz so sinnvoll wie für die Behandler und Regierenden.
    Warum sollte jemand anderes meinen Interessen nachgehen? Was mich betrifft, nehme ich lieber selbst in die Hand. So einfach. Das kann man mit Egoismus verwechseln, mit Härte oder gar sozialer Kälte. Ich nenne es Selbstdisziplin und Verantwortung. Und ich weiß, dass meine Art, mit Verantwortung umzugehen, mich in einer komplexen Welt handlungsfähig hält. Mir ist aber auch klar, dass es für viele Menschen, je nach Wertesystem, ein Rätsel ist, wie man so leben kann wie ich: ganz ohne Netz und doppelten Boden. Ganz ohne Hoffnung.
    |24| Als ich das Geschäft meines Vaters übernommen hatte, arbeiteten wir hart an Sanierungsplänen. Die Banken waren dabei gelinde
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