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Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Glückskekssommer: Roman (German Edition)

Titel: Glückskekssommer: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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reicht mir ein Taschentuch. Im Gegensatz zu mir muss sie nie heulen, nicht mal in der allerfinstersten Micha-Trauer-Bewältigungsphase. Sie ist so stoisch wie ein Indianerhäuptling. Wenn sie mal weint, dann ist aber wirklich etwas ganz Schlimmes passiert.
    Jetzt wird Eva Andrees nach vorn gebeten. Die Diva steht auf, lächelt, schüttelt Hände und küsst ihren Mann, bevor sie losgeht Richtung Bühne … In meinem Kleid!
    Ist – das – ein – Wahnsinn!
    Sie erreicht die Treppen. Der Moderator und die Laudatorin blicken ihr strahlend entgegen, reichen ihr die Hände und führen sie sicher die Treppen hinauf.
    Mein Herz schlägt bis zum Hals.
    Sie steigt eine Stufe, zwei … und dann ist alles aus.
    Ihr Kleid öffnet sich! Genau am Hinterteil über dem Höschen klafft mit einem Mal ein riesiger Riss und mit jedem Schritt, den Eva Andrees macht, wird er größer. Da, wo ich sorgfältig Stich für Stich gesteppt habe, ist wie durch Zauberhand die Naht aufgegangen! Nach einem kurzen Moment des Schweigens geht ein aufgeregtes Raunen durch das Publikum.
    Neeiiin!
    Mein Herz setzt aus.
    Lila kreischt entsetzt.
    »Moment mal … Das ist doch … Das gibt es doch irgendwie nicht«, sagt Rob.
    Er sieht aus, als müsste er gleich platzen. »Was ist denn da passiert?«
    Im Gegensatz zu mir muss Rob in den unmöglichsten Situationen lachen. Obwohl ich so gut wie tot bin, empfinde ich Dankbarkeit, dass er jetzt versucht, es nicht zu tun.
    »Stellt den Fernseher aus«, schreie ich nach einer Schrecksekunde. »Stellt ihn aus!«
    Lila gehorcht.
    Ich will die Schmach nicht mehr mit ansehen und habe die irrwitzige Hoffnung, dass es auch all die anderen Millionen Zuschauer nicht mehr sehen können, wenn wir jetzt ausschalten. So als könnte ich einfach das Fernsehprogramm der ganzen Nation löschen.
    Überflüssig zu erwähnen, dass ganze Tränenbäche, nein Flüsse, aus meinen Augen stürzen.
    »Rosa, Schatz, beruhige dich«, sagt Lila. Sie kniet sich vor mich hin. »Vielleicht hat es ja niemand gesehen.«
    »Genau«, pflichtet Rob ihr bei. Ich sehe, dass er fast explodiert vor unterdrücktem Lachen.
    »Haut ab!«
    Ich kann nur noch schreien. In der Diele fängt das Telefon an zu klingeln. Mein Handy flötet seinen nervigen Klingelton. Wer will mich jetzt trösten? Oder verspotten? Oder mir einen Mord androhen? Egal! Alles egal!
    »Rosa. Bitte!«
    »Lasst mich in Ruhe! Alle!«
    Lila und Rob gucken betroffen, tun aber, was ich sage. Zusammen verlassen sie mein Zimmer. Ich halte mir die Flasche Sekt an den Hals und leere das, was noch drin ist, mit einem Zug aus. Mein Leben ist verpfuscht. Eben war ich noch stolz und froh und jetzt hat das Schicksal zugeschlagen.
    Oh, mein Gott! Der Glückskeks!
     
    Heute Abend hält das Schicksal etwas für sie bereit.
     
    Ich fasse es nicht! Annemarie hat recht. Das Schicksal ist, wenn es mal Lust hat, sich zu erfüllen, ein verdammt fieses Ding!
    Ich hasse Glückskekse!

Glückskeks 2
    Sie werden viel Glück haben und Schwierigkeiten überwinden!
     
    Berliner Morgenpost, 15.6.
     
    ›Kleiderdebüt geht in die Hose
    Peinlicher Zwischenfall bei der Verleihung des deutschen Filmnachtpreises: Als Eva Andrees die Treppen zur Bühne hinaufstieg, um den goldenen Preis für ihr Lebenswerk entgegenzunehmen, verselbstständigte sich eine Naht am unteren Rücken ihres Kleides und lieferte dem Publikum ein paar ungewohnte Einblicke. Die Grande Dame des deutschen Films nahm es mit Humor. »Ich wollte schon immer mal halb nackt vor der Kamera stehen«, kommentierte sie die Panne mit einem Augenzwinkern. Laut Informationen der Morgenpost stammte das Kleid nicht wie üblich von einem großen Designer, sondern aus der kleinen Wilmersdorfer Schneiderei von Helena Senner. Selbige ist normalerweise auf das Ausführen von Änderungen und Reparaturen spezialisiert. In der Haut der Möchtegern-Modemacherin wollen wir heute nicht stecken.‹
     
    Da hat er recht, der Reporter. Ich fühle mich auch schon ganz unwohl in dieser Haut, auch wenn es nicht mein Name ist, der in der Zeitung geschmäht wird. Meine Meisterin wird mich umbringen! Ich habe zwar nicht die geringste Ahnung, wie dieses Missgeschick passieren konnte. Aber eins steht fest. Ich habe Helena Senner bis auf die Knochen blamiert!
    Rob hat mir die Zeitung auf meine Bettdecke geknallt. Jetzt steht er da und guckt kopfschüttelnd auf mich herab, während ich den Artikel überfliege.
    »Das ist wahnsinnig peinlich«, sagt er. »Mein Meister würde mich
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