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Glitzerbarbie

Glitzerbarbie

Titel: Glitzerbarbie
Autoren: Steffi Wolff
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gleich. Seine Fingerknöchel, die sich um die Stuhllehne krallen, sind weiß wie Schnee. Er tut mir unendlich Leid.
    Katharina sagt zu Stefan: »Sie sind leider ein bisschen zu früh, ich habe noch Kundschaft. Und hatten wir nicht eigentlich ein anderes Kennwort ausgemacht, wenn Sie klingeln? Ich erinnere mich nicht an Gaswerke oder so etwas.«
    Die »Kundschaft« räkelt sich in den Laken.
    Ich versetze mich gedanklich in Frederik. Schlimm genug, dass seine Frau es mit anderen Männern für Geld treibt, aber dass sie es auch noch mit anderen Frauen tut – unverschämt! Bestimmt hätte er gern mal zugeschaut!
    Das ist alles schlimmer hier als die ganzen Shows, in der bezahlte Kandidaten sich gegenseitig Kuhfladen in die Gesichter werfen oder sich vor laufender Kamera die verfaulten Zähne richten lassen.
    Wie dem auch sei, der große Auftritt von Stefan geht weiter. Frederiks Freundin hat mittlerweile die Tür zum Schlafzimmer geschlossen, um mit der Kundin weiterzumachen, und Stefan hebt
das Victory-Zeichen mit Zeige- und Mittelfinger in die Kamera. Frederik neben mir wimmert. Im Hintergrund höre ich Sylvester leise »Großartig, großartig« brummeln. Ich könnte ihn erdrosseln. Endlich öffnet sich die Schlafzimmertür wieder.
    Frederik neben mir weint. Ich weine auch gleich. Eine Produktionsassistentin steht im Studio hinter einer Kamera und hält ein Pappschild hoch, auf dem steht: ETWAS SAGEN ! Aber meine Stimmbänder sind gelähmt, und davon mal ganz abgesehen möchte ich auch gar nichts sagen, denn alles, was ich jetzt sagen könnte, wäre sowieso das Falsche. Tatsache ist, dass hier jemand, und zwar Frederik in diesem Fall, vorgeführt wird. Und zwar so vorgeführt, dass er, sollte das alles jetzt live gewesen sein, sich für immer und komplett zum Deppen gemacht hat. Ich möchte nicht die Verantwortung dafür tragen, dass jemand sein Leben verbaselt, bloß weil Strawberry Entertainment Quote machen muss.
    Und ich will mir nicht die Titten vergrößern lassen, nur weil Sylvester, Felix und Schlagmichtot der Meinung sind, dass dann die Quote steigt.
    Quote, Quote, Geld, Geld. Kotz. Kotz.
     
    Ich möchte zu easy-Radio zurück. Ich möchte ein geregeltes Leben führen. Ich möchte endlich wieder eine Wohnung haben. Nicht so ein doofes Hotelzimmer, in dem man morgens einen Riesenschreck bekommt, weil ein kolumbianisches Zimmermädchen mit großen braunen Augen im Raum steht und den Staubsauger anschmeißt, weil ich mal wieder vergessen habe, das »Do not disturb«-Schild draußen an der Tür anzubringen. Und ich will zu Roland.
    Jedenfalls werde ich diese furchtbare Show nicht moderieren.
    Plötzlich weiß ich ganz genau, was ich will.

20
    Während alle im Aufnahmestudio herumwuseln, weil Frederik inzwischen einen Kreislaufkollaps bekommen hat (hab ich es nicht gesagt?, hab ich nicht?), stehe ich auf und gehe zu Sylvester.
    Der breitet die Arme aus, ganz jovial: »Ich kann dir sagen, Caro, das war der Kracher, Caro, sagte ich das schon?«, und will mich an sich ziehen.
    Ich hebe abwehrend beide Hände und sage: »Ich möchte jetzt gleich, jetzt sofort mit dir sprechen«, und bin selber erstaunt darüber, wie fest meine Stimme klingt. Wenn ich irgendjemandem etwas Wichtiges zu sagen habe, ist meine Stimme normalerweise entschuldigend oder brüchig oder beides.
    Sylvester nickt und ruft: »Ja, Caro, ja! Ich muss auch etwas Wichtiges mit dir besprechen!«
     
    Wir gehen in sein Büro, und sobald er die Tür hinter uns geschlossen hat, legt er wieder los, wie toll das doch alles gewesen sei, und die Lockvögel seien ein Glücksgriff, und ich müsste noch sensationsgeiler werden und überhaupt.
    Ich setze mich in seinen dunkelgrünen Besucherstuhl aus Leder und sage einfach nur: »Ich mache das nicht. Ich kündige hiermit. Das ist alles nichts für mich.«
    Sylvester blickt mich an, als hätte ich ihm soeben mitgeteilt, schwanger von ihm zu sein, obwohl er sich schon vor Jahren hat sterilisieren lassen, und überhaupt hatten wir doch noch nie Sex miteinander.
    »Carolin!«, sagt er väterlich. »Ich kenne das. Das ist der Stress. Du bist momentan überfordert. Jetzt mit allem Schluss zu machen wäre das Dümmste überhaupt!« Huch, keine Wortwiederholungen,
keine Drohungen? Keine Verträge, die ich einhalten muss? Was ist denn nun los? »Das war damals mit Beppo Brösel genauso«, erzählt mir Sylvester. »Der war plötzlich ganz erfolgreich und konnte mit seinem Erfolg gar nicht umgehen. Dann haben wir ihn zwei
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