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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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ist nicht ausgestanden«, sagte er. »Aber ich befürchte,
dass der Kerl weg ist. Der ist mit allen Wassern gewaschen. Dem hat die wenige
Zeit, die ihm geblieben ist, völlig gereicht. Wir wissen nichts über ihn. Was
wir haben, sind seine DNA und seine
Fingerabdrücke. Es gibt aber keinen Eintrag dazu. Nicht in Österreich und
bislang auch sonst nirgendwo. Den Optimismus kann mir jedoch niemand nehmen:
Irgendwann wird dieses Schwein irgendwo auf der Welt wieder straffällig – und
dann kriegen sie ihn.«
    »Was ist mit dem Alten, der das alles erst losgetreten hat?«, fragte
Marielle.
    »Psychiatrische«, sagte Schwarzenbacher. »Bislang gibt es keine
zweifelsfreie Einschätzung, ob er diese Rollen nur spielt oder ob er wirklich
diese Persönlichkeitsstörungen hat. Als Zeuge taugt er wenig. Im Moment ist
aber ohnehin nichts aus ihm herauszubringen. Wasle hat gesagt, dass die letzten
Vernehmungen eher Bibel-Exegesen geähnelt hätten. Manczic hat ihm die Grauen
des Alten Testaments geschildert. Heuschrecken und Hungersnot, Martyrien und
Opfertode, das volle Katholenprogramm.«
    Marielle griff sich ein Stückchen Schokolade aus der Schale am
Tisch.
    »Was können wir jetzt noch tun?«, fragte sie.
    »Nichts«, sagte Schwarzenbacher. »Alle Fehler sind schon gemacht.
Hosp hat die europaweite Fahndung veranlasst. Wir können nur mehr warten.«
    »Kein Grund für ein Treffen in der ›Wolke 7‹, oder?«
    Pablo spielte auf diese besonderen Treffen in dem Lokal hoch über
Innsbruck an. Sie fanden immer dann statt, wenn es gelungen war, einen alten
Fall neu aufzurollen und zu lösen. Reuss, Schwarzenbacher, Pablo, unter
Umständen Marielle (sie war bislang nie dabei gewesen, und alle hatten den
Eindruck, dass sie auch beim nächsten Mal Ausflüchte suchen würde) und oft noch
einige andere setzten sich dann auf ein Abendessen und ein paar Flaschen guten
Rotwein zusammen und ließen die Geschichte noch einmal ganz unaufgeregt Revue
passieren.
    »Können wir vergessen«, sagte Schwarzenbacher. »Es gäbe nichts, was
wir feiern könnten. Und auch die Rückschau wäre alles andere als erfreulich.
Außer du hast Lust, dass wir uns all der Fehler und unserer unablässigen
Chancenlosigkeit erinnerten.«
    Schwarzenbacher sah, dass Pablo den Kopf hängen ließ. Er wusste noch
gut, dass es dem Jungen ziemlich schlecht gegangen war, nachdem Manczic bei den
Wattenser Kristallwelten auf ihn aufmerksam geworden war.
    »Mach dir nicht so viele Gedanken«, sagte er. »Was war, ist
Vergangenheit. Was zählt, ist das Hier und Heute. Und natürlich, was uns als
Nächstes einfällt. Ich für meinen Teil jedenfalls habe Blut geleckt. Ich weiß,
es ist ein ziemlich ekliges Wortspiel angesichts der Lage. Aber egal, ich habe
große Lust darauf, einen neuen Fall anzugehen. Ich meine, einen neuen alten
Fall. Darüber sollten wir reden. Aber nicht jetzt. In den nächsten Tagen
einmal. Einverstanden?«
    Marielle war froh, Schwarzenbacher derart aufgekratzt anzutreffen.
Gleichwohl war ihr bewusst, dass dies eine ziemlich unmissverständliche
Aufforderung war, jetzt zu gehen, ihn allein zu lassen.
    »Eines noch«, sagte sie. »Du hast mir mal geraten, einen
Selbstverteidigungskurs zu absolvieren. Hast du eine Empfehlung für mich?«
    Schwarzenbacher lächelte. Er schrieb ihr eine Adresse auf und sagte:
»Heuberger ist ein guter Mann. War mal Polizist, ist dann aber zur
Privatwirtschaft übergelaufen. Privatdetektei. Hat aber anscheinend nicht
sonderlich funktioniert. Macht seit einigen Jahren in Sachen
Selbstverteidigung. Man kann etwas von ihm lernen. Aber …«
    Er sah Marielle prüfend ins Gesicht. »Aber er hat ein gewisses
Problem mit starken Frauen. Ich meine das nicht im körperlichen Sinn, sondern
was die Persönlichkeit angeht. Er glaubt, jede Frau sei zunächst mal ein
hilfloses Hascherl, das erst durch sein Training so etwas wie Selbstbewusstsein
entwickeln könnte. Na ja, du wirst schon sehen.«
    *
    Paul Kurth fuhr vorbei am Brenner-Outlet, an der Kirche, an den
alten Grenzläden und Cafés. Er fuhr die Einbahnstraße entlang bis dorthin, wo
sie am Ortsrand wieder in den Gegenverkehrsbereich mündete, wo alte
Wohnkasernen herunterkamen und wo vor einem Supermarkt eine riesige Parkfläche
zur Verfügung stand.
    Er stellte den Wagen ab, packte seine Sachen zusammen und ging zum
Bahnhof. Schalter gab es nicht. Niemanden, bei dem man Auskünfte hätte einholen
oder ein Ticket hätte kaufen können. Ihm war das nur lieb – dann konnte
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