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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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einfach nur sagen«, sagte Frau Spiss, »wie leid
mir alles tut. Ich muss Ihnen das einfach sagen. Es wird Ihnen nicht viel
helfen. Aber Sie sollen das wissen. Mein Beileid, was den Tod Ihres Mannes
betrifft. Und mein tiefes Mitgefühl für Sie. Alles ist die Schuld meines Mannes …«
    Die beiden Frauen, in Schwarz gekleidet, beide leicht gebeugt, vom
Leben gezeichnet, standen am Grab des Fotografen Tinhofer, still, schweigend.
Frau Spiss schien ein leises Gebet zu sprechen.
    Frau Tinhofer sah verstohlen zu ihr hinüber, sah das Alter in ihrem
Gesicht, mehr noch aber die Erschöpfung, die Lebensunlust, die tiefe, alles
überdeckende Traurigkeit.
    Das Leben, dachte sie, was ist das jetzt noch?

Stefan König
KALTER FELS

Alpen Krimi
    ISBN 978-3-86358-030-8
    »Spannend, mit hervorragenden Naturschilderungen und beklemmenden Szenarien entwickelt der Autor mehrere Erzählstränge. Dramatische und berührende Begegnungen, packende und in sich stimmige Charaktere, eine schnörkellose und dabei fesselnde, gewählte Sprache und nicht zuletzt Unsicherheit und Überraschungen bis (fast) zur letzten Seite machen aus dem Buch einen Alpenkrimi jenseits üblicher Klischees.«
    Weilheimer Tagblatt, 22.11.2010

Leseprobe zu Stefan König,
KALTER FELS
:

Eine alte Geschichte
    Am Morgen des 10. Juli 1974 war der sechsundzwanzigjährige
Karl Mannhardt in Mittenwald aus dem aus München kommenden Frühzug gestiegen.
    Später sollte sich der Bahnhofsvorsteher an den jungen Mann
erinnern, der mit schwerem Rucksack und in Bergstiefeln über den Bahnsteig
gestapft war. »Werktags fällt so ein Bergsteiger ja noch auf«, sagte er aus,
als die Staatsanwaltschaft der Sache nachging. Zunächst nämlich war die
Identität des Opfers nicht zweifelsfrei belegbar gewesen. »Am Wochenend wär er
mir net aufgefallen, da kommen ja viele, jeder Zug bringt haufenweis Leut, die
wo ins Karwendel oder ins Wetterstein wollen.«
    Mannhardt war Schlosser von Beruf, beschäftigt bei MAN in Karlsfeld. Er mochte seine
Arbeit, auch wenn er abends immer nach Öl und Schmiere roch und noch in der
Unterwäsche die feinen Eisenspäne fand. Viel mehr noch als seinen Beruf, den er
profund und mit bestem Abschluss erlernt hatte, mochte er die Berge. Er war
alleinstehend, ungebunden, und er ließ kaum einen freien Tag vergehen, an dem
er nicht mit der Bahn nach Süden fuhr, den Bergen entgegen, die er so sehr
liebte.
    Es gab bevorzugte Ziele, er fuhr oft nach Garmisch-Partenkirchen,
gern nach Kufstein oder Mittenwald. Bisweilen auch bis Jenbach oder Innsbruck,
wo er dann aber umstieg, um noch tiefer in die Zentralalpen zu gelangen. Am
liebsten war er allein unterwegs. Ganz allein. Allein mit sich und einer
faszinierenden, menschenleeren Natur. Dann musste er mit niemandem reden, musste
niemandem zuhören, konnte sich der Stille hingeben, wo es sie gab, oder durfte
auf all das hören, was an Geräuschen und Klängen fernab der Zivilisation auf
ihn wartete: das Rauschen der Wildbäche, der Wind in den Baumwipfeln, das
Glockengebimmle der Bergschafe, das Poltern und Krachen der Steine in einem
abgeschiedenen Kar und bisweilen die Rufe einer Seilschaft hoch oben in den
Felswänden: »Stand!« – »Seil ein!« – »Kannst nachkommen!« – »Ich komme!«
    Selbst das Echo eines Donners konnte ihn erfreuen – wenn das
Gewitter nur weit genug entfernt war und sich anschickte, in sicherer
Entfernung an seinem Weg vorbeizuziehen.
    In Mittenwald wanderte Mannhardt zwischen den Geschäften und
Gasthäusern hindurch dem südlichen Ortsrand entgegen. Immer wieder sah er hinauf
zum sich linker Hand erhebenden Karwendelmassiv: schroffe Felsen, die
Bergstation der Gondelbahn, ein langer Grat. Eindrucksvoller noch aber war
gegenüber die Wettersteinspitze, die sich über dichtem Bergwaldgrün erhob und
deren Felskanten und in engen Karen eingebettete Schneefelder schon im Licht
der Sonne zu leuchten begannen.
    Dort, wo eine Straße nach rechts in Richtung Leutasch abzweigte,
nahm er den Rucksack von den Schultern und wartete darauf, dass ein Autofahrer
anhielt und ihn mitnahm. Lange musste er sich nicht gedulden – er sah ja nicht
wie ein Hippie aus, sondern wie ein Bergsteiger: Bergstiefel, Rucksack, Seil
darübergehängt. Da hatte niemand Misstrauen.
    So gelangte er über den kleinen Grenzübergang nach Tirol.
    Dort hatte der an diesem Tag diensthabende österreichische
Zollbeamte später Mühe, sich an Mannhardt zu erinnern. Wie auch? Selbst diesen
kleinen, eigentlich
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