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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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schnellen Bewegungen aus der Gruppe, die George’s Place bewunderte und schon langsam begann, Appetit auf genau die Kräuter zu bekommen, die dort wuchsen. Er trabte auf Miss Maple zu. Dann stand auf einmal Sir Ritchfield in seinem Weg. Miss Maple konnte nicht sagen, wo er auf einmal hergekommen war. Ritchfield blickte den jüngeren Widder drohend an, und Mopple trottete davon, nicht zurück zu George’s Place, sondern an die Klippen. Er starrte nachdenklich zum Strand hinunter.
    Ritchfield gesellte sich zu Maple.
    »Man muss den Jungen manchmal Respekt einflößen«, sagte er. »Sonst enden sie wie Melmoth.«
    Miss Maple erwiderte nichts. Kein Schaf war Melmoth weniger ähnlich als Mopple.
    Allmählich flaute die Begeisterung für George’s Place wieder ab. Die Schafe begannen ihrer üblichen Beschäftigung, dem Grasen, nachzugehen. Miss Maple sah ihnen zu. Es war gut, dass sie sich beruhigt hatten. Wenn sie satt waren und weniger aufgeregt, würden sie wieder neugierig werden und weiter nach dem Mörder fahnden, auf Schafsart, unterbrochen von Fressen und Fürchten, aber unerbittlich. Maple kannte sie alle; die jüngeren hatte sie groß werden sehen, mit den älteren war sie selbst aufgewachsen. Ritchfield und Melmoth hatten die Herde mit ihren Eskapaden in Atem gehalten, als sie noch ein Lamm war. Ritchfield hatte so lange nicht mehr von seinem Zwilling gesprochen, dass Maple beinahe gedacht hatte, er hätte ihn vergessen. Nun fühlte sie sich beunruhigt. Die Luft war makellos, ein kühler Wind wehte vom Meer, und die Weide duftete. Trotzdem roch es auf einmal überall nach Tod, nach frischem und nach altem, nach fast vergessenem Tod. Maple begann zu grasen.
     
    *
    Am Nachmittag hatte die Herde schon wieder menschlichen Besuch. Vom Dorf her kamen eine rundliche Frau und ein schwarz gekleideter Mann mit steifem Kragen und auffällig langer Nase. Die Frau war ebenfalls schwarz angezogen, aber mit ihren feuerroten Haaren, blauen Augen und rosigen Wangen kam sie den Schafen dennoch bunt vor. Sie duftete nach Äpfeln, so gut, dass sich diesmal gleich fünf Beobachter fanden, die die beiden belauschten: Miss Maple, Othello, Heide, ein Jungschaf namens Maisie und Mopple the Whale.
    Die Menschen blieben vor dem Dolmengrab stehen.
    »Hier war’s?«, fragte die Frau. Der Mann nickte. Die Bunte starrte auf den Boden. Der Regen hatte den Spateneinstich verwaschen, und so starrte sie auf die falsche Stelle.
    »Das ist so schrecklich«, sagte sie mit dünner Stimme. »Wer tut so etwas, wer?« Die Schafe horchten auf. Vielleicht würde der große schwarze Mann jetzt gleich die Antwort liefern. Doch der schwieg.
    »Ich hatte es nicht immer einfach mit ihm«, fügte die Frau hinzu.
    »Niemand hatte es einfach mit George«, sagte der Langnasige.
    »Er war eine verlorene Seele, ein entlaufenes Lamm, aber der Herr hat ihn in seiner unendlichen Güte wieder bei sich aufgenommen.«
    Die Schafe sahen sich erstaunt an. Cloud blökte verwirrt.
    »Ich hätte gerne ein bisschen mehr von ihm gewusst«, fuhr die Frau fort. »In der letzten Zeit war er so merkwürdig. Ich dachte, das wäre das Alter. Er fuhr mit dem Auto weg, er bekam Post, die ich nicht öffnen durfte. Und«, sie streckte sich ein wenig, um dem Großen ins Ohr zu tuscheln, aber die Schafe hörten sie trotzdem, »ich habe entdeckt, dass er heimlich Romane liest, Liebesromane, Sie wissen schon.« Sie wurde rot. Es stand ihr gut. Der Mann blickte sie interessiert an.
    »Wirklich?«, fragte er.
    Sie bewegten sich langsam auf den Schäferwagen zu. Die Schafe wurden nervös. Gleich würde man entdecken, was sie mit Georges Gemüsegarten angestellt hatten.
    Die Augen der Frau wanderten über den Schäferwagen, über abgefressene Kräuterbeete und zerrupfte Tomatensträucher.
    »Es ist schön hier«, seufzte sie.
    Die Schafe trauten ihren Ohren nicht.
    »Vielleicht hätte ich manchmal hier zu ihm heraufkommen sollen. Aber das wollte er ja nicht. Nie hat er mich hier heraufgelassen. Ich hätte ihm einen Kuchen bringen können. Aber dafür ist es jetzt zu spät.« Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich habe mich nie für das Viehzeug interessiert. George brachte die Wolle, um die hab ich mich dann gekümmert. Wunderbare weiche Wolle …« Sie schluchzte.
    »Was wird mit der Herde, Kate?«, fragte der Langnasige. »Das ist ein schönes Stück Land, und jemand muss sich auch um die Tiere kümmern.«
    Kate sah sich um. »Sie sehen nicht so aus, als müsste man sich um sie kümmern.
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