Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
trennen würde.« Die Schafe blökten entrüstet.
    Cloud starrte nachdenklich auf ihr Grasbüschel. Erst als Zora sie sanft mit der Nase in die Flanke stupste, sprach sie weiter, leise und zögernd. »Irgendwann wurde auch George wütend. Er nahm mich und drückte mich dem Langnasigen in die Arme. ›Segne dieses Vieh‹, sagte er. Der andere roch schlecht, und es machte mir Angst. Er wusste nicht, wie er mich anfassen sollte, aber er nahm mich mit. Sein Haus war das größte im Ort, groß und spitz wie er selbst. Er sperrte mich in seinen Garten. Ganz allein. Da war ein Apfelbaum, aber er hatte ihn eingezäunt, und die Äpfel sind einfach am Boden verfault.«
    Einige Schafe blökten empört. Cloud schauderte.
    »Dann strömten auf einmal viele Menschen in das Haus. Sie brachten Hunde mit, fremde Schafe und ein Schwein. Ich musste auch hinein. Es war ein schrecklicher Lärm, aber der Langnasige sprach mit lauter Stimme, und jeder konnte ihn hören. ›Willkommen im Haus Gottes!‹ Das hat er gesagt. Das und andere Dinge.« Sie machte eine Pause und sah nachdenklich aus.
    »›Gott‹ heißt er also«, sagte Sir Ritchfield.
    Othello machte ein seltsames Gesicht. »Gott?«
    »Vielleicht«, sagte Cloud unsicher. »Aber nach und nach fand ich heraus, dass sie ein Lamm verehrten. Das schien mir ein schöner Gedanke. Alle diese Menschen verehrten ein Lamm, aber ein besonderes Lamm. Sie nannten es ›den Herrn‹. Dann kam Musik, wie aus dem Radio, nur … schiefer. Ich sah mich ein bisschen um und erschrak furchtbar. An der Wand hing ein Mensch, ein nackter Mensch, und obwohl er aus vielen Wunden blutete, konnte man das Blut nicht riechen.« Sie wollte nicht weitererzählen.
    »Und in ihm steckte ein Spaten, stimmt’s?«, fragte Sir Ritchfield triumphierend.
    »Dieser ›Gott‹ scheint mir ziemlich verdächtig«, sagte Mopple. »Er hat anscheinend schon mehrere Leute auf dem Gewissen. Das mit dem Lamm ist wahrscheinlich nur ein Vorwand. Du hast ja gemerkt, dass er mit Lämmern nicht umgehen kann.«
    »Er ist sehr mächtig«, ergänzte Cloud, die sich ein wenig gefangen hatte. »Alle Leute sind vor ihm auf die Knie gefallen. Und er hat gesagt, dass er alles weiß.«
    Maude kaute nachdenklich auf einem Büschel Gras herum. »Ich erinnere mich«, sagte sie. »Cloud war verschwunden, einen ganzen Tag lang. Ihre Mutter hat sie gesucht wie … wie ihre Mutter eben.«
    »Warum hast du uns nie etwas davon erzählt?«, fragte Zora.
    »Ich habe es nicht verstanden«, sagte Cloud leise. Sie sah ein wenig verträumt aus und begann verlegen die Nase an einem ihrer Vorderbeine zu reiben.
    Die Schafe dachten weiter über Gott nach.
    »Er weiß nicht alles«, blökte Othello. »Er wusste nicht, dass George Pamela-Romane liest.«
    »Las«, sagte Sir Ritchfield trocken.
    »Der Mörder kehrt immer an den Tatort zurück«, sagte Mopple the Whale. »Und der Langnasige ist an den Tatort zurückgekehrt.«
    Mopple sah sich stolz um. Es war das einzige Hilfreiche, das sie aus Georges Krimi gelernt hatten. Mopple hatte es sich natürlich gemerkt.
    »Was meinst du?«, fragte er Miss Maple.
    »Er ist verdächtig«, nickte sie. »Er mochte George nicht, und George mochte ihn nicht. Er interessiert sich dafür, was mit uns und mit der Weide passiert. Und als sie vor dem Dolmengrab standen, hat er auf die richtige Stelle geblickt, genau dahin, wo George lag.«
    Die Schafe schwiegen beeindruckt. Maple fuhr fort. »Das kann aber auch Zufall sein. Sein Blick war ja die ganze Zeit am Boden. Es gibt zu viele Fragen. Was ist vorbei mit Ham? Wer ist sie, der George hoffentlich nichts vermacht hat? Was ist mit Lilly und Ham und George?«
    »Es ist nicht einfach, die Menschen zu verstehen«, sagte Maude.
     
    *
    Die Schafe senkten die Köpfe. Sie grasten ein bisschen und dachten ein bisschen nach.
    Mopple dachte daran, dass er sogar George nicht immer verstanden hatte, obwohl George einfach zu verstehen war – für einen Menschen. Er interessierte sich für den Gemüsegarten und las seinen Schafen Pamela-Romane vor. Für Apfelkuchen interessierte er sich nicht. Aber in letzter Zeit tat auch George manchmal etwas Seltsames. Manchmal holte er die Scheibe.
    Wenn George in Gummistiefeln mit der bunt bemalten runden Scheibe über die Weide marschierte, drängte es Mopple an einen sicheren Ort. Der einzige sichere Ort, an dem man die Scheibe nicht sehen konnte, lag hinter dem Schäferwagen, in unmittelbarer Nähe des Gemüsegartens. Dort fand ihn George, wenn er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher