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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi
Autoren: Leonie Swann
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kurzsichtig. Zora zählte 20, Miss Maple 45 und Sir Ritchfield sehr viele, mehr jedenfalls, als er zählen konnte. Doch Ritchfields Gedächtnis war miserabel, vor allem dann, wenn er sich aufregte. Er vergaß ständig, wen er schon gezählt hatte, und zählte alles und jeden doppelt und dreifach. Außerdem zählte er die Hunde mit.
    Mopple starrte kurzsichtig und ein wenig verdrießlich zu den Menschen hinüber. Die Theorie vom Mörder, der an den Ort des Verbrechens zurückkehrt, konnten sie jetzt natürlich vergessen. Sie waren alle an den Ort der Tat zurückgekehrt, der Mörder sicher versteckt unter ihnen. Neugierig beobachteten die Schafe, wie sich die Menschenherde fortbewegte. Sie wurde weder vom Stärksten noch vom Klügsten angeführt, sondern von Tom O’Malley. Dann kamen die Kinder, dann die Frauen und zuletzt die Männer, etwas zurückbleibend, die Hände verschämt in den Hosentaschen. Weit hinter ihnen bewegten sich noch einige sehr alte Menschen, die nur langsam und zitternd vorwärts kamen.
    Tom hatte einen Spaten mitgebracht, einen traurigen, rostigen, alten Spaten. Er rammte ihn in die Erde, mindestens zehn Schritte von der Stelle entfernt, an der George gelegen hatte. Die Menschen, die bisher wie jede gute Herde hinter ihrem Anführer hergetrabt waren, wichen zurück, als hätte Tom sie mit kaltem Wasser bespritzt, und bildeten in respektvollem Abstand einen Kreis.
    »Hier war es«, brüllte Tom. »Genau hier. Das Blut ist bis hierher gespritzt«, er machte zwei lange Schritte Richtung Dolmengrab, »und hier« – wieder drei Schritte in eine andere Richtung – »stand ich. Habe sofort gesehen, dass es mit dem alten George zu Ende ist. Überall Blut. Sein Gesicht, ganz verzerrt, entsetzlich, und seine Zunge hing blau heraus.«
    Nichts davon stimmte. Miss Maple fiel auf, wie merkwürdig das war. Eigentlich hätte es so aussehen müssen, wie Tom sagte. Viel Blut und starre Schmerzen im Gesicht vom Kampf mit dem Spaten. Aber George hatte auf der Wiese gelegen, als hätte er sich nur zum Schlafen hingelegt.
    Die Menschenherde wich noch ein wenig weiter zurück und gab einen seltsamen gehauchten Laut von sich, irgendwo zwischen Entsetzen und Entzücken. Tom schrie weiter. »Aber euer Tom hat die Nerven behalten. Ist sofort in den Mad Boar, um die Polizei zu holen …«
    Eine schnarrende Stimme unterbrach ihn. »Ja, den Weg ins Wirtshaus findet unser Tom in allen Lebenslagen!« Die Leute lachten. Toms Kopf sank nach unten. Er begann wieder zu sprechen, diesmal so leise, dass die Schafe ihn von ihrem Hügel aus nicht länger verstanden. Was immer an spärlicher Ordnung in der Menschenherde existiert hatte, brach dann zusammen. Überall rannten Kinder herum, die Erwachsenen ballten sich in ständig wechselnden Grüppchen zusammen und blökten ununterbrochen. Der Wind wehte Wortfetzen zum Hügel herüber.
    »Koboldkönig! Koboldkönig! Koboldkönig!«, sangen die Kinder.
    »… hat wahrscheinlich alles der Kirche vermacht!«, sagte ein rotgesichtiger Bauer.
    »Lilly hat einen Nervenzusammenbruch gekriegt, als sie ihn gefunden haben!«, zwitscherte eine pausbäckige junge Frau. Der Mann, der neben ihr stand, hielt ihre Hand und lächelte.
    Ein kleiner Mann zuckte mit den Schultern. »Er war ein Sünder, was erwartet ihr?«
    »Du bist auch ein Sünder, Harry«, grinste ein altes Weib mit Zahnlücke, »ich sag nur Lonely Heart Inn. Deine liebe Tante kann sich wirklich glücklich schätzen, dass sie so einen aufmerksamen Neffen hat.« Der Mann wurde blass und schwieg.
    »Ein Vermögen hat er zusammengerafft. Dunkle Geschäfte!«, sagte ein Mann mit spitzem Bauch.
    »George hatte Schulden, jeder weiß das«, sagte ein anderer.
    »… hat sich ein bisschen zu sehr zu seinen Schafen hingezogen gefühlt«, erzählte ein sehr junger Mensch zwei anderen. »Ihr wisst schon wie!« Er machte eine Bewegung mit den Händen. Die beiden anderen lachten. »Eifersuchtsmord unter Schafen, klar!«, schrie der Dünnste von ihnen, so laut, dass sich ein paar Frauen umdrehten. Wieder lachten alle drei ihr unangenehmes Lachen.
    »Es muss ihn überrascht haben«, sagte ein Mann, der ausgeprägt nach Schweiß roch, »und George war verdammt schwer zu überraschen.«
    »Katastrophe für den Tourismus«, sagte ein anderer mit hoher Stimme, »George weiß wirklich, wie er einem einen Strich durch die Rechnung machen kann.«
    »… wollte alles an Ham verkaufen, die Schafe, das Land, alles!«, sagte eine Frau ohne Hals.
    »Der Satan
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