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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen
Autoren: Helen Hodgman
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Sessel am Fenster und las in meinem Bibliotheksbuch. Details fraßen sich wie Streusand in mein Gehirn. In den nächsten Tagen bohrten sie sich immer tiefer und begannen Probleme zu machen.
    *
    Am Tag nach der Beerdigung stand ich in aller Frühe auf und ging durch die Dunkelheit zum Strand. Kein Mond. Dichte Wolken bedeckten den Nachthimmel. Die Schaukel war repariert worden. Ich setzte mich auf sie, meine Zehen berührten den Boden. Langsam schaukelte ich vor und zurück. Unter der warmen Glocke der Nacht ein angenehmes Gefühl. Die Schaukel seufzte in der Luft. Wellen brachen am Strand und zogen sich leise flüsternd wieder zurück. Die Schaukel schwang höher. Der Wind brauste um meinen Kopf. Geräusche erwachten in der Nacht. Der Wind trug durchdringende Schreie zu mir. Einer nach dem anderen wurden sie von dumpf-schweren, schallgeschützten Schlägen erstickt. Ganz zum Schluss schauderte ein gedämpftes Stöhnen die dunkle Sichel des Strandes entlang.
    Ich erkannte die Geräusche. Jetzt wusste ich von den Todesdramen, die Nacht für Nacht an der Brandungskante aufgeführt worden waren. Ich schaukelte hoch über der Handlung, während schwarze Frauen von weißen Männern gejagt und in den Sand geknüppelt wurden. Ihre Ehemänner zögerten, sahen verwirrt und machtlos zu. Sie wurden getötet. In Stücke gehackt. Die einzelnen Teile lagen noch tagelang verrottend unter einem Schild winziger fleischfressender Krabben begraben. Die Frauen waren da längst verschwunden. In Booten weggeschleppt. In nächtlichen Varietévorstellungen an Lagerfeuern gequält und gefoltert. Dazu gezwungen, Robbenherden in den Untergang zu locken. Die Frauen mussten sich ans Meeresufer legen, ihre braune Haut glitzerte unter Sonne und Mond. Mit geschmeidigen Flossenbewegungen ihrer Arme und dunklen, kehligen Sirenengesängen lockten sie die Robben aus dem tiefen Wasser der Bucht. Sie kamen angeschwommen, strandeten. An Land waren sie unbeholfen. Die wartenden Männer knüppelten ihre Köpfe zu schaumigem Mus und versprengten blutrote Tropfen im goldenen Sand.
    Der Morgen graute. Das Schauspiel war vorbei. Die Schaukel kehrte an den Boden zurück.
    *
    In den Tagen danach tötete ich meine Nachbarin Mrs Olive Stacey. Ollie, für ihre Freunde. Wann genau es geschah, kann ich nicht sagen, mein Gefühl für Zeit wurde immer schlechter. Ich verbrachte meine Tage hinter geschlossenen Jalousien. Das Haus verließ ich nur bei Dunkelheit. James kam heim und fuhr wieder weg. Er schien jetzt öfter nach Hause zu kommen. Vielleicht machte er sich Sorgen um mich. Er brachte mir Zeitschriften und Pralinen mit, manchmal winzige Parfümflakons. Ich reihte sie auf dem Kaminsims auf und überlegte, ob er mich für krank hielt. Er kaufte mir Mitbringsel, als läge ich im Krankenhaus – manchmal sogar Blumen. Jeden Abend, wenn er schlief, verließ ich ihn.
    *
    Tagsüber träumte ich hinter den Jalousien. Grüne Träume von geheimen Pulsschlägen, den noch nicht erkundeten Orten dieser herzförmigen Insel. Grelle, orange leuchtende Träume vom fernen toten, roten Herz des Kontinents.
    » Kommen Sie raus. Kommen Sie raus, wo immer Sie stecken«, krähte Nennen-Sie-mich-Ollie. Sie wollte vorbeischauen und hatte die Avonberaterin mitgebracht. Die bunten Träume wirbelten durch mein Hirn und formten sich neu als Heiligenschein um den nichts ahnenden, blau getönten Kopf meiner Nachbarin. Sie sei vorbeigekommen, erklärte sie, um mich auf andere Gedanken zu bringen.
    » Sie brauchen ein bisschen Aufmunterung«, sagte Ollie, » und dafür ist Edna hier genau die Richtige. Außerdem dürfen Sie sich nicht so gehen lassen, das hilft Ihnen wirklich nicht weiter. Männer mögen das nicht. Und man kann es ihnen nicht mal verübeln, finde ich.«
    Die Avonberaterin lächelte, die Lippen glitschig von einer glänzenden, pinkfarbenen Schmiere. In der Nachmittagshitze verlief sie zu kleinen Rinnsalen in den Falten um ihren Schmollmund. Sie winkte mich zu sich. Ihr Atem roch nach vertrockneten Veilchen. Mit sanfter Stimme sprach sie von Feuchtigkeitscremes. In einem Klima, das so schädlich für die Haut einer Frau sei, seien sie unverzichtbar. Sie empfahl mir eine grüne Creme aus Gurken. Im Bann der Pastellfarben, der glatten Plastiktiegel und des künstlichen Dufts, hörte ich mich alles Mögliche bestellen.
    Ollie sah zufrieden aus. Sie sei froh, meinte sie, mich wieder auf dem richtigen Weg zu sehen. Ich wollte wissen, welcher Weg das sei und wohin er führe, doch es war
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