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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Eindrücke Revue passieren, die ihn seit vier Tagen in Atem gehalten hatten.
    »Damit war es also doch wieder eine Beziehungstat, wie du immer sagst«, meinte Susanne und rückte den Sonnenschirm zurecht.
    »Die Abgründe der menschlichen Seele sind unberechenbar.«
    »Auch das hast du schon oft gesagt.«
    »Daran erkennst du, wie häufig es vorkommt. Die Katrin Fellhauer hat 30 Jahre etwas mit sich rumgetragen, das letztlich nur eines kleinen Auslösers bedurfte, um es zur Explosion zu bringen.«
    »Und ihr habt geglaubt, der Fall habe was mit der Eisenbahn oder mit Steuerhinterziehung zu tun.«
    »Es ist wie immer, liebe Frau …«, er streichelte ihr zärtlich über die Wange, »wenn du erst anfängst, in den Tiefen der Seelen zu graben, wirst du immer irgendwo fündig. Jeder Mensch hat einiges auf sich geladen, das aus dem Blickwinkel eines anderen zunächst unverständlich erscheinen mag.« Er köpfte das Frühstücksei und lauschte auf das Zwitschern einer Amsel.
    »Weißt du, was mich an dir immer noch wundert?«, fragte Susanne und gab sich selbst die Antwort: »Dass du nach all den Jahren in diesem Job noch so viel Verständnis für die Schwächen der Menschen zeigst.«
    August lächelte. »Nur wer die Menschen versteht, kann auch in ihre Seele blicken. Wer nur die Paragrafen sieht, wird die wirklichen Probleme der Menschen niemals ergründen können. Aber, um ehrlich zu sein …« Er streute Salz aufs weiche Ei. »Es gibt genügend Fälle, bei denen Verständnis fehl am Platze wäre. Kinderschänder, Terror. Oder die Morde aus sogenannter verletzter Ehre.«
    »Und für diese Katrin hast du Verständnis?«
    »Verständnis für ein Verbrechen, Susanne – auch das wäre der falsche Ansatz. Ich warne auch davor, gleich alles auf die Psychoschiene abzuwälzen. Aber dass Verbrechen tiefe Wurzeln haben können – bis zurück in die Kindheit –, das ist meines Erachtens unbestritten. Die Frage ist nur, ob dies auch zwangsläufig zu Straftaten führen muss.« Er fuhr fort: »Natürlich nicht. Denn sonst hätte es doch in unserer Generation jede Menge Verbrecher geben müssen – wenn du überlegst, unter welch widrigen Umständen wir in der unmittelbaren Nachkriegszeit aufgewachsen sind.«
    Susanne nickte.
    »So gut wie keine Kindergärten«, fuhr August fort, »Verhältnisse in Schulen, wegen derer heute die Elternbeiräte ganze Scharen von Rechtsanwälten in Gang setzen würden. Und von wegen Beratungsstellen für dies und das und trallala. Nicht, dass ich dies für nicht sinnvoll halte, aber weißt du …«, er aß genüsslich sein Frühstücksei zur nachmittäglichen Zeit und fühlte sich wieder voller Energie, »vielleicht gibt es auch gewisse Gen-Konstellationen, die das Böse in sich tragen, so wie man auch andere, positive Talente haben kann. Vielleicht ist unser freier Wille, den wir immer so sehr propagieren, gar nicht so frei.«
    Susanne streichelte ihm über den Oberarm. »Vielleicht sollten wir uns darüber mal unterhalten, wenn du ausgeruhter bist. Du solltest dir jetzt ein paar Tage Auszeit gönnen.«

58.
    Sander hatte in der Woche nach Katrins Festnahme noch einige Artikel zu dem Fall geschrieben, war aber vor allem nahezu täglich dem Pressesprecher mit der Frage lästig geworden, ob die Observation des Höhleneingangs irgendwelche Ergebnisse gebracht habe. Doch obwohl drei Wochen lang Tag und Nacht eine Streife bei der Garage in Weiler abgestellt war, was für Watzlaffs Dienststelle einen immensen Personalaufwand bedeutete, gab es nichts Verdächtiges zu vermelden. Die Höhlenfreunde, die es bis dahin nicht mehr gewagt hatten, in den Schacht einzusteigen, warteten ungeduldig darauf, dass sich endlich etwas tat. Anfang August wurde die Observation abgebrochen. »Entweder ist er tot oder anderweitig herausgekommen«, konstatierte Ziegler bei einer Pressekonferenz, die einen Schlusspunkt hinter den Fall setzen sollte. »Wir sehen auch keine Gefahr mehr für die Mitglieder des Höhlenvereins. Jedenfalls kann nach Lage der Dinge kein Mensch so lange Zeit ohne neuen Proviant in der Höhle überleben.«
    Neben Sander waren noch vier auswärtige Journalisten zu dem Termin gekommen. Eine aufgeweckte Dame aus Stuttgart meldete sich zu Wort: »Man hört, dass es manchen Kreisen vielleicht gar nicht so ungelegen kommt, wenn Lechner von der Erdoberfläche verschwunden ist.«
    Stock sah zu Ziegler, der sich räusperte, sich durchs ungekämmte Haar fuhr und dann energisch feststellte: »Was man so
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