Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
die Arme vor seiner breiten Brust und spürte, dass er die letzten Wochen wieder zugenommen hatte. Als Judoka-Trainer, der er in der Freizeit war, achtete er darauf, dass er nicht allzu übergewichtig erschien. Andererseits hatte es nie geschadet, wenn ein Täter dem Irrtum erlegen war, dieser Kommissar sei behäbig und bei Weitem nicht in der Lage, einen Spurt hinzulegen. Spätestens dann, wenn Häberle die Verfolgung aufnahm, staunten sogar seine Kollegen, welche sportliche Energie in ihm steckte.
    »Erstochen«, wiederholte er ruhig und staunte, wie Specki den Audi über die holprige Straße jagte und jedes Mal noch ausweichen konnte, wenn ein Fahrzeug entgegenkam. Vorbei an einem Wanderparkplatz, wo die Bleche und Scheiben unzähliger Fahrzeuge in der Sonne blitzten, ging es bereits wieder ins nächste Tal hinab.
    »Erstaunt dich das? Ich hab neulich erst gelesen, dass die meisten Tötungsdelikte mit dem Küchenmesser begangen werden.«
    »Hat der Leitende bei der Jahrespressekonferenz zur Statistik gesagt«, murmelte Häberle und meinte damit den Leitenden Oberstaatsanwalt Wolfgang Ziegler in Ulm, der im Februar die Statistik seiner Behörde vorgestellt hatte. Der Kommissar hätte auf Anhieb ein halbes Dutzend Fälle nennen können, bei denen ein Küchenmesser eine Rolle gespielt hatte.
    »Nur dass jemand so ein Ding in der freien Landschaft mit sich herumträgt, ist ja nicht gerade üblich«, erwiderte Specki, der den Wagen jetzt durch Unterböhringen steuerte, einem kleinen Dorf, das sich in die Berglandschaft duckte. »Warst du eigentlich schon mal bei dem großen Sonnwendfeuer auf dem Hexensattel?«
    Häberle bejahte und kurbelte das Seitenfenster runter. Dieser Höhenrücken, der hier über eine noch schmalere Straße zu erreichen war, die ins benachbarte Reichenbach führte, war wohl in der vergangenen Nacht reichlich bevölkert gewesen. Tausende kamen, wenn dort die Dorfjugend von Reichenbach einen haushoch gestapelten Holzstoß entzündete. Allerdings hatte es in den vergangenen Jahren dabei auch einige unschöne Szenen gegeben, die später mit einer Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung beim örtlichen Amtsrichter Schwenger ein Nachspiel fanden. Häberle, der auf die 60 zuging, war nicht mehr sonderlich darauf erpicht, privat solche Großveranstaltungen zu besuchen. Er mochte zunehmend die Gemütlichkeit im kleinen Kreise – einen Biergarten oder eine lauschige Weinwirtschaft. Deshalb konnte er es sehr gut verstehen, dass in einer solchen Sommernacht, wie die vergangene es war, auch in kleineren Gruppen gefeiert wurde. Irgendwo, bei einem Lagerfeuer. Er versuchte, sich die Situation auf dem Wasserberg vorzustellen. Dort gab es gewiss ein Dutzend legale und illegale Feuerstellen.
    Sie hatten den Hexensattel erreicht, wo auf der ebenen Freifläche links der Straße ein großer Aschehaufen auf das Höllenfeuer hindeutete. Noch immer stiegen kleine Rauchwolken auf. Ein paar Wanderer besahen sich die Überreste genauer und deuteten mit empörten Gesichtern auf die Hinterlassenschaften, die aus jeder Menge leerer Getränkeflaschen bestanden.
    Specki bog rechts in den steil aufwärts führenden Schotterweg ein, an dem beidseits braune Absperrbänder entlangführten. Sie sollten die Heidelandschaft schützen, auf der es eine Vielzahl seltener Orchideen gab.
    Specki musste hupen, um an einer Wandergruppe vorbeizukommen. Die gut gelaunte Gesellschaft machte nur widerwillig Platz und sparte nicht mit bissigen Kommentaren. Häberle, der seinen rechten Arm aus dem Seitenfenster baumeln ließ, lächelte ihnen im Vorbeifahren zu: »Tut uns leid, aber wir wären auch lieber zu Fuß unterwegs.« Die Antworten verstand er nicht, denn Specki hatte den Audi sanft beschleunigt. Häberle sah im Rückspiegel den trockenen Staub aufwirbeln. Das würde den Wanderern gewiss nicht gefallen.
    »Habt ihr noch andere Kollegen verständigt?«, fragte der Kommissar plötzlich.
    »Maggy weiß Bescheid«, gab Specki zurück. Maggy, das war der Spitzname von Kripochefin Manuela Maller, die vor geraumer Zeit den ewig grantelnden Helmut Bruhn abgelöst hatte. »Sie will auch kommen – mit der Spurensicherung.«
    Spurensicherung. Hoffentlich hatten die vielen Ausflügler am Tatort nicht schon alles zertrampelt, hoffte Häberle, während sie jetzt durch ein Waldstück kamen und wieder deutlich an Höhe gewannen. Die Sonne prallte von links gegen das Fahrzeug. Für einen kurzen Moment malte sich Häberle aus, wie er diesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher