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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
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landete. Doch sie irrten sich. Sie waren Dinosaurier, deren Methoden so überholt waren, wie Pferdewagen und Dampfmaschinen.
    Es gab einen Grund weswegen Boyle so sicher war, dass keiner je wegen der Vergewaltigung damals an seine Tür klopfen würde. Jahrelang hatte er nach dem dünnen Mädchen gesucht. Aber es nie gefunden. Und ohne Zeugin blieben Färber und Salekis Anschuldigungen nur unbewiesene Behauptungen.
    Hinter der Hecke sah Boyle zwei Grünen dabei zu, wie sie vergeblich versuchten Bellini und ihren Fotografen abzudrängen. Eine Gruppe Schaulustiger begann steif und ungelenk zu applaudieren, während der Grün-Weiße mit den beiden Gefangenen auf dem Rücksitz zwischen ihnen hindurchrollte.
    Es gab Momente, da machte Polizeiarbeit Spaß. Dass sich jetzt angesichts ihrer Festnahme jede Menge Ärsche, arme Schweine und Frauenverdrescher, die von Färber und Saleki verhaftet worden waren, ganz gute Chancen ausrechnen durften, ihre Prozesse noch einmal neu aufgerollt zu kriegen, war Boyle einfach bloß scheißegal.
    Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass sogar der Beton um ihn herum golden schimmerte.

    3. September 1999. Tommy Graf trug Designeranzüge, hatte volle weiche Lippen und sanfte, etwas wässrige Augen. Vor zwei Jahren hatte er während eines Routineeinsatzes einen Mann erschossen, und es schien bis heute nicht so, als hätte er damit irgendwelche tiefergehendere Schwierigkeiten.
    Wenn Boyle in der Behörde, von Becker abgesehen, so etwas wie einen Freund hatte, dann war es Tommy Graf. Was gut und gern daran liegen konnte, dass er als der einzige Homosexuelle im Kriminaldauerdienst genauso sehr als Außenseiter galt wie Boyle. Jetzt stand er vor dem Plastikstehtisch eines Imbiss am Hafen und bekleckerte sein Kaschmirsakko mit Senf.
    „ Du hast ihnen kräftig ans Bein gepinkelt, Boyle. Ausgerechnet Bellini dorthin zu hetzen war so ziemlich das Letzte, womit sie gerechnet hätten. Jetzt bleibt ihnen nichts weiter übrig als es an die wirklich große Glocke zu hängen.
    Du musstest es ja unbedingt auf die idiotensichere Tour schaukeln. Das verzeihen die Dir nie. Bei Haffner und Company hast Du es bis in die Steinzeit verschissen.“
    Boyle versenkte den Rest seiner Pommes rot-weiß in dem Papierkorb neben dem Imbisswagen.
    „ Haffner geht in spätestens zwei Jahren in Pension. Vergiss es, der hat abgewirtschaftet.“ Tommy entdeckte den Senffleck auf seinem Sakko, zückte ein Taschentuch und rieb damit daran herum.
    „ Sie haben wegen des Überfalls heute Morgen eine Sonderkommission gebildet. Alles dabei, was Rang und Namen hat. Ich auch.“
    Boyle sah unbewegt einem Schlepper zu, der Richtung Trockendocks durchs Hafenbecken dampfte.
    „ Und?“
    Tommy steckte sein Taschentuch wieder ein.
    „ Entweder hat den Typen irgendwer im Präsidium einen Tipp gegeben, oder es waren gar keine Leute von außerhalb daran beteiligt.“
    Boyle wandte sich Tommy zu.
    „ Ein reines Bullending?“
    „ Ja, auch wenn sie gerade dabei sind sämtliche Abstauber der Stadt zusammenzutrommeln, glaube ich nicht, dass es Leute von draußen gewesen sind. Nein, da haben sich ein paar von unseren Männern zusammengetan, um sich ein für alle mal gründlich zu sanieren.“
    Der Schlepper im Hafenbecken verschwand im Dunst.
    „ Du hast zwei Jahre bei der Drogenfahndung gearbeitet. Wenn es wirklich Bullen waren, dann kommen sie von dort. Gib mir n Tipp, Boyle. Du kennst die Typen besser als ich. Wenn ich diese Sache knacke können sie gar nicht anders, als mich nächstes Jahr zum Stellvertreter Mord zu ernennen.“
    Boyle bestellte bei dem dicken schweißglänzenden Typen im Imbisswagen zwei Bier.
    „ Keine Ahnung, Tommy. Ehrlich.“
    Boyle reichte Tommy eines der Bier und fragte sich einen Augenblick, ob irgendwer nicht längst Verdacht geschöpft hatte, und ihm jetzt Tommy auf den Hals schickte, um schon mal zaghaft ein bisschen vorzufühlen. Es waren immer Deine Freunde, die sie Dir auf den Hals hetzten wenn es eng wurde. Im Präsidium nicht anders als unter den Gangs draußen auf den Straßen.
    Sie tranken.
    „ Hat Dir eigentlich schon mal irgendeiner gesagt, dass einen Deine verdammten stahlblauen Augen richtig verrückt machen können?“
    Boyle sah stur geradeaus.
    „ Kein Mann , falls Du das meinst.“
    Tommy lachte.
    Eine Minute, zwei – Schweigen.
    „ Als ich damals den Kerl erschossen habe, dachte ich irgendwas muss sich jetzt doch ändern. Ich meine, Du stehst morgens auf. Du rasierst Dich. Du machst
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