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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
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grüßten.
    Hatte er es sich so vorgestellt? War das der Tag, nach dem er sich solange gesehnt hatte?
    Mit den Papieren in seiner Tasche und Premudas Zusage persönlich dafür zu sorgen, dass keiner, der in den Listen aufgeführten Zeugen vor Gericht umfallen würde, hatte Boyle alles, was er brauchte um Färber und Saleki vom Fünften Revier endgültig aus dem Verkehr ziehen zu lassen.
    Nichts, das er dagegen tun konnte, als plötzlich die Erinnerungen wieder in ihm heraufstiegen.

    JULI 1982. Er war Beamter auf Probe und kaum drei Wochen mit der Polizeischule durch. Ein Frischling voll von Illusionen und Abenteuerlust. Illusionen, die an diesem Abend für immer in einem gurgelnden Sog aus Gewalt, Ekel und Angst untergehen sollten.
    Färber, Saleki und Boyle betreten in ihren Uniformen den Aufzug eines gesichtslosen, zwölfstöckigen Betonbaus.
    Färber war stellvertretender Revierchef des Fünften und streng genommen nicht mal im Dienst, da seine Schicht vor wenigen Minuten zu Ende gegangen war. Wohingegen der Dienst seines Kumpels Saleki, Boyles direktem Vorgesetzten, gerade erst begonnen hatte.
    Färber, der Boyle vor der Tür zur Wohnung 217 zur Seite nahm: „ Du hältst das Maul und tust, was wir Dir sagen. Kapiert?“
    Saleki betätigte die Klingel.
    Ein kräftiger Mann in einem Harvard University–T-Shirt und grünlich fleckigen Shorts öffnete.
    Die Küche: Dreckiges Geschirr in der Spüle, eine Mikrowelle in der sich irgendein Fertiggericht drehte, auf dem Tisch ein überquellender Ascher, zwei Gläser und eine halbleere Flasche „Jack Daniels“.
    Der Typ in dem Harvard–Shirt trat an den Küchenschrank und brachte einen säuberlichen Stapel Scheine hervor.
    „ Die Woche bisschen weniger als sonst“, sagte er.
    „ Ferienzeit. Schon okay.“ Saleki griff nach dem Geld, steckte es ein.
    Das Harvard–T-Shirt stellte zwei zusätzliche Gläser auf den Tisch, tauschte die Luft darin gegen Jack Daniels Whisky. Sie tranken. Saleki fragte nach einer zweiten Füllung. Er bekam sie. Kippte sie hinunter. Drehte sich dann zu Färber um.
    „ Mach hin – wir haben heute noch mehr vor.“
    Färber antwortete nicht, stand einfach auf und ging. Eine dritte Runde Whisky. Boyle, der sich zunehmend unwohl fühlte, aber nicht den Mut aufbrachte irgendetwas zu sagen.
    „ Ich will die Neue sehen.“ Saleki stieß das Harvard–T-Shirt an.
    Eine Minute später folgten Boyle und Saleki dem Harvard–T-Shirt in den schmalen Wohnungsflur.
    Färber war nirgendwo zu sehen. Im Zimmer neben der Küche quietschten Bettfedern. Aus dem gegenüber dröhnte das hohe Lachen einer Frau.
    Harvard-Shirt und Saleki nahmen Boyle in die Mitte. Gemeinsam betraten sie das dritte Zimmer.
    Ein Bett, ein zerfranster Vorleger, ein Tisch. Das Fenster verdeckt von einer bläulich schimmernden Jalousie. Auf dem zerwühlten Laken ein zierliches blondes Mädchen in einem speckigen Männerhemd. Die kann kaum sechzehn sein, dachte Boyle. Ekel stieg ihm die Kehle herauf.
    „ Bisschen sehr jung, oder?“
    Der Harvard–Mann zuckte die Achseln.
    „ Und?“
    „ Nix weiter, bloß ziemlich jung.“
    Saleki zückte seinen Gummiknüppel, schlug damit ein paar Mal kräftig gegen die Wand zum Nachbarraum.
    „ Runter von der Alten, Färber.“
    Boyles Blick blieb an dem Mädchen hängen. Ihre anfängliche Überraschung schien Angst gewichen zu sein. Sie zog das Hemd über der Brust zusammen, verkroch sich in die hinterste Ecke des Bettes.
    Eine Tür klappte. Färbers schlurfende Schritte im Flur. Saleki, Boyle und das Harvard-Shirt, die sich unisono nach ihm umsahen.
    Färber, der in der Tür stehend, sein Koppel schloss, dann aufsah und Boyle und Saleki breit angrinste.
    „ Fick sie!“
    Boyle fuhr zu Saleki herum.
    „ Was?“
    „ Fick die Kleine.“
    In Färbers Augen derselbe herausfordernde Blick, den auch Saleki aufgesetzt hatte.
    „ Bist Du schwerhörig, oder was? Du sollst sie ficken, Mann.“
    Ein sanfter Stoß von Salekis Gummiknüppel in Boyles Magengrube.
    „ Entweder Du fickst die Kleine jetzt oder in Deiner nächsten Beurteilung steht: Für den Polizeidienst ungeeignet.“
    Boyle schlug Salekis Gummiknüppel zur Seite. „Spinnst Du?“, zischte er. „Das wäre kein Fick, sondern `ne Vergewaltigung.“
    Färber, in dessen Hand plötzlich seine Dienstpistole auftauchte.
    „ Und genau darum fickst Du sie jetzt auch, Boyle. Wenn wir abgehen, gehst Du gefälligst mit.“

    Der Rest war Dunkelheit.
    Immer noch.

    Aus der Friedhofskapelle
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