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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma
Autoren: Douglas Coupland
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am Marine Drive, Höhe Thirteenth. Verständlicherweise wollten sie die Geschichte von jedem einzeln hören, um Widersprüche aufzudecken. Doch es gab keine. Die Verwüstung des Hauses war schnell vom Tisch, denn die Missetäter saßen bereits unter uns in ihren Zellen. Danach hockten wir im White Spot Restaurant ein Stück die Straße hinunter appetitlos über unseren Cheeseburgern. Die einzige Gesetzmäßigkeit, die wir in Karens Verhalten am Samstag feststellen konnten, war, daß sie sich an jenem Tag merklich ... anders verhalten hatte. Ich zeigte den Brief herum, und ein kalter Schauer lief uns über den Rücken.
    »Gestern waren wir noch in Park Royal einkaufen«, sagte Pammie, »und Karen hatte nur Augen für so merkwürdige Kleinigkeiten wie die Farbe der Mandarinen. Wir wollten eigentlich Weihnachtsgeschenke besorgen, aber sie war die ganze Zeit damit beschäftigt, Stoffe zu streicheln. Beim Taco Don an der Bushaltestelle hat sie eine von Wendys Mexi-Fritten gegessen. Ich glaube, das war alles, was sie vorm Skilaufen zu sich genommen hat. Die Ärmste. An ihrer Stelle wäre ich auch umgekippt.«
    Wendy warf ein: »Wir hätten sie zwingen, sollen, etwas zu; essen.«
    »Macht euch bloß nicht verrückt«, sagte ich. »Hier ist irgendwas anderes im Gange. Das wissen wir doch alle.“
    »Stimmt. Sie hat sich gestern wirklich irgendwie komisch benommen«, sagte Pam. »Es waren nur Kleinigkeiten. Irgend etwas spukte ihr im Kopf herum - und zwar nicht nur diese Diät.«
    »Ich finde, wir sollten ihren Eltern den Brief zeigen«, sagte Hamilton. Wir kamen überein, das noch am gleichen Tag zu tun. Dann wurde es still an unserem Tisch.

    Nach einem kurzen, unruhigen Schläfchen kehrten wir noch am selben Abend zum Lions Gate Hospital zurück, aber Karens Zustand war unverändert. Nicht ein Arm oder Bein, nicht ein Haar, nicht eine Wimper hatte sich geregt. Eine Eiseskälte befiel uns: Es ging mit ihr nicht so voran, wie es sollte. Beim Verlassen des Zimmers stellte ich rosafarbene und blaue Nelken in eine Vase auf ihrem Nachttisch; draußen bei unseren Autos verabredeten wir uns am nächsten Morgen in der Raucherecke der Schule, um das Gebäude wie zufällig vereint zu betreten.
    Zu Hause setzten meine Eltern, die weder mit großen Moralpredigten noch mit strengen Strafen etwas am Hut hatten, das normale Leben fort. Hackbraten, grüne Bohnen, gebackene Kartoffeln und eine M*A*S*H*-Folge. Vor ein paar Jahren war meine Kusine Eileen zwei Tage lang ohne Bewußtsein gewesen, nachdem sie sich am flachen Ende eines Swimmingpools den Kopf aufgeschlagen hatte; da sie später mit Erfolg Medizin studiert hatte nahmen Mom und Dad Komas weniger schwer, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
    Doch von unserer Clique konnte in jener Sonntagnacht niemand schlafen. Statt dessen rief die ganze Nacht jeder den anderen an, wir telefonierten uns von Haus zu Haus, als spielten wir ein elektronisches Fadenspiel. In Morgenmänteln über Küchenstühle gebeugt, nur von der Herdbeleuchtung angestrahlt, flüsterten wir in den Apparat und ahmten so unbewußt das höllische Zischen von Karens Beatmungsgerät nach.

    Am nächsten Morgen versammelten wir uns wie vereinbart fünf Minuten vor dem ersten Klingeln auf dem Parkplatz neben der Raucherecke, ein flaues Gefühl im Magen, die Augen gerötet, die Haare bereits nach Qualm stinkend, und unsere damals angesagten Cord-Schlaghosen flatterten in einem nassen, kalten Pazifikwind.
    Als wir - Wendy, Linus und ich - das Klassenzimmer zur Englischstunde betraten, erhob sich, wie nicht anders zu erwarten, ein Raunen unter den Teenagern, als Karens Platz vor mir auf bedeutungsschwangere Weise leer blieb. Doch wir drei behielten unsere Daunenjacken an, vergruben unser Kinn in dem gesteppten Nylon, nicht aus Trotz, sondern um uns abzuschirmen, uns vor dem Angestarrtwerden, den kursierenden Briefchen und den sensationslüsternen Seitenblicken zu schützen. Philip Eng und Scott Litman gafften uns fassungslos an; Andrea Porter machte ein klatschhungriges Gesicht wie ein Kätzchen. Unhörbare Stimmen umgaben uns:
    Seht mal, das sind die Mörder von Karen. Ich hab' gehört, sie haben das Haus der Carters auf den Kopf gestellt. Drogen waren auch im Spiel: Medikamente. Und sie waren stockbesoffen! Wir haben es ja kommen sehen, wo doch Jared letztes Jahr den Löffel abgegeben hat. Sie sind verhext - sie bringen den Menschen in ihrer Nähe den Tod. Schau dir nur ihre Gesichter an: Mir ist bisher gar nicht
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