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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma
Autoren: Douglas Coupland
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nichts mehr ändern würde: stetig schrumpfende, zu Klauen abgemagerte Hände; transparente Infusionsbeutel, die aussahen wie furchtbar mißlungene Kochbeutelgerichte; ein eisbergblauer Beatmungsschlauch, der, mit dem Erdinnern verbunden, irrsinnige Weltuntergangsdrohungen in einer fremden Sprache rückwärts zischte; ihr Haar, allabendlich gekämmt, immer ordentlich, mit den Jahren ergrauend, schlapp wie ungegossene Zimmerpflanzen.

    Mr. und Mrs. NcNeil kamen am frühen Morgen aus Birch Bay angerast. Das rechte Vorderrad ihres Buick Centurion holperte über den gelbgestrichenen Kantstein vor der Einfahrt zur Notaufnahme. Drinnen saßen bereits meine Eltern, Hamilton, Pammie, Wendy und Linus, wir alle gerädert vor lauter Sorge und Angst. Die McNeils hatten Gesichter wie brennende Häuser. Ich sah ihnen an, daß sie beide kurz zuvor noch ziemlich betrunken gewesen waren und jetzt pochende Kopfschmerzen hatten. Anfangs weigerten sie sich, mit irgend jemandem von uns jungen Leuten ein Wort zu wechseln, denn sie gaben uns stillschweigend die alleinige Schuld an Karens Zustand. Mrs. McNeils anklagende rote Augen sagten mehr als jede lautstarke Beschimpfung. Die McNeils sprachen mit meinen Eltern, seit zwanzig Jahren ihre Nachbarn und mehr oder weniger Freunde. Bei Sonnenaufgang erschien Dr. Menger und führte die vier in das Zimmer, in dem Karen lag.
    »Thalamus ... murmel... Flüssigkeiten; Hirnstamm ... murmel ... Zerebralnerv ... hypoxisch-ischämische Enzephalopathie ...Atmung ...«
    »Ist sie am Leben? Ist sie tot?« fragte Mrs. McNeil.
    »Sie lebt, Mrs. McNeil.«
    »Kann sie denken?« fuhr sie fort.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wenn das so weitergeht, wird Karen Schlaf- und Wachphasen haben und vielleicht sogar träumen. Aber ob sie denkt, das weiß ich wirklich nicht.«
    »Was, wenn sie in ihrem Körper gefangen ist?« fragte Mr. McNeil. »Was, wenn sie -«, Mr. McNeil, George, suchte nach Worten, »- da drin ist und alles hört, was wir sagen? Was, wenn sie versucht, um Hilfe zu rufen, und uns doch nicht sagen kann, daß sie dort eingesperrt ist?“
    »Das ist nicht der Fall, Sir. Bitte.«
    Unterdessen schlürfte und schmatzte Linus einen Becher heißen Automatenkakao in sich hinein. Hamilton beschimpfte ihn als Arschloch, weil er sich so respektlos verhielt, aber Linus sagte langsam: »Karen mag doch Kakao. Ich glaube, sie hätte nichts dagegen.« Eine Pause entstand, und eine mit Blicken geführte Abstimmung ergab, daß die Mehrheit diese Ansicht teilte. Hamilton beruhigte sich, legte aber weiterhin eine essigsaure Laune an den Tag. »Richard«, bellte Mr. McNeil,- der mit den anderen älteren Herrschaften um eine Ecke gebogen kam, »Dr. Menger hat gesagt, Karen hätte zwei Pillen genommen. Hast du ihr die gegeben?«
    Ich war sofort hellwach: »Nein. Sie hatte sie in; ihrer Puderdose. Es war Valium. Ich hab' schon öfter gesehen, wie sie welche genommen hat. Sie kriegt sie von Mrs. McNeil.« Mr. McNeil drehte sich zu seiner Frau Lois um, die mit einem Nicken und einer schwachen Handbewegung bestätigte, daß sie die Dealerin war. Mr. McNeil sackte in sich zusammen. Ich sagte: »Karen will für Ihren Hawaiiurlaub gut aussehen. Sie versucht abzunehmen.«
    Daß ich das Präsens benutzte, rüttelte die anderen auf. »Das ist nur noch fünf Tage hin«, sagte Wendy. »Bis dahin ist sie doch wieder gesund, oder?«
    Keine Reaktion. Mrs. McNeil fragte Wendy, flüsternd wie ein intrigierendes Starlet: » Habt ..., habt ihr Mädels was getrunken? ... Wendy? ... Pammie?«
    Wendy sagte geradeheraus: »Mrs. McNeil, Karen kann nicht mehr als anderthalb Glas getrunken haben. Und außerdem war das Zeug alles andere als stark - Tab-Cola mit einem Tropfen Wodka. Ehrlich. Das meiste war Tab. In der einen Sekunde stand sie noch da und überlegte, ob sie ihren Pflegestift mit Wassermelonengeschmack verloren hatte, in der nächsten lag sie am Straßenrand im Gras und stöhnte. Wir haben versucht, sie dazu zu bringen, daß sie sich übergibt, aber sie konnte unmöglich mehr als eine halbe Fritte im Magen haben, wenn überhaupt. Sie wollte wirklich mit allen Mitteln abnehmen. Für Hawaii.“
    »Ich verstehe.«
    Dr. Menger meldete sich mit den Ergebnissen des Blutalkoholtests zu Wort, der bestätigte, daß sie so gut wie keinen Alkohol im Körper gehabt hatte. »Sie ist praktisch sauber«, sagte er. »Null Komma eins.«
    Fast sauber. Und doch wieder nicht. Schmutzig. Befleckt. Besudelt und verdorben. Vollgeschissen. Verseucht.
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