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Girl

Girl

Titel: Girl
Autoren: David Thomas
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verliebten jungen Mann ebenso erwartet?«
    »Ja.«
    »Und wie kam es zum Bruch Ihrer Beziehung?«
    »Er hat mich geschlagen.«
    Dem Publikum im Saal verschlug es fast die Sprache. Helen McGoldrick sprang erregt von ihrem Platz auf. »Ich protestiere, Mylord. Das ist eine völlig aus der Luft gegriffene Unterstellung, für die es keinerlei Beweise gibt.«
    Sir Roderick blieb völlig ungerührt. »Mylord, ich wäre nur allzu erfreut, Mr. Roland vor Gericht zu bitten – ihn notfalls auch vorführen zu lassen – zusammen mit einem Augenzeugen, der jede von Mister Barrett erhobene Anschuldigung bestätigen wird. In der Zwischenzeit möchte ich darum bitten, mit meiner Befragung fortfahren zu dürfen.«
    Der Richter nickte zustimmend. Sir Roderick wandte sich wieder mir zu. »Wo befanden Sie sich zum Zeitpunkt der erhobenen Beschuldigung?«
    »Wir waren zu einem Cricket-Match gefahren. Er selbst spielte mit und hatte mich gebeten, ihm dabei zuzusehen.«
    »Und Sie waren froh, mit ihm dort hinzugehen?«
    »Ja, ich hatte … ich hatte die ganze Woche auf seinen Anruf gewartet, und als er endlich kam und er immer noch interessiert schien …«, ich schniefte theatralisch. »Also, ich war wirklich sehr aufgeregt. Er schien so nett zu sein.«
    Endlich war in Sir Rodericks Stimme ein Ton von Mitleid zu spüren. »Warum in aller Welt wollte er auf Sie losgehen?«
    »Er dachte, ich hätte ihn zum Idioten gemacht. Er …«, ich brachte die Worte kaum über meine Lippen, »er nannte mich eine … eine abgefuckte miese Schwuchtel.«
    Ein weiteres Mal hielt der Saal geschockt den Atem an. »Was brachte ihn zu dieser verächtlichen Äußerung?« fragte Sir Roderick.
    »Er hatte von meiner Operation erfahren.«
    Während des gesamten Kreuzverhörs hatte ich alles getan, meine Tränen zurückzuhalten. Ich wollte Sir Roderick nicht die Genugtuung verschaffen, mich zusammenbrechen zu sehen. Aber der doppelten Last seiner Befragung und der Erinnerung an so viele erlittene Demütigungen war ich zuletzt nicht mehr gewachsen. Alle aufgestauten Tränen brachen in einem einzigen großen Schluchzen aus mir heraus.
    Als ich endlich wieder sprechen konnte, klang es mehr wie ein Wimmern. »Ich habe mich angestrengt, und wie ich das habe. Ich habe alles getan, um ihm zu gefallen und nett zu ihm zu sein, jemand zu sein, mit dem man Spaß hat. Aber … aber … es war immer noch zu wenig.«
    Ziemlich unerwartet streckte Sir Roderick seine Hand aus und strich mir zärtlich eine Träne von der Wange. »Keine Angst«, sagte er wie ein liebevoller Großvater, der ein kleines Mädchen tröstet, »nur nicht verzweifeln. Gleich ist alles vorüber.« Dann setzte er zu seiner letzten Serie von Fragen an.
    »Am Morgen des 10. November letzten Jahres, waren Sie da ein normaler junger Mann?«
    »Ja.«
    »Am Morgen des 11. November, waren Sie da ein normaler junger Mann?«
    »Nein.«
    »Waren Sie damals, oder sind Sie heute eine normale junge Frau?«
    »Nein.«
    »Was also geschah am 10. November, das Ihr Leben so nachhaltig veränderte?«
    »Ich wurde am St. Swithin’s Hospital einer Geschlechtsumwandlung unterzogen.«
    »Vielen Dank, Miss Barrett, ich habe keine weiteren Fragen.«
    Der St. Swithin’s Hospital Trust übernahm die volle Verantwortung und bot fünfhunderttausend Pfund Schmerzensgeld, plus Gerichtskosten. Wir hätten vermutlich noch mehr herausholen können, aber ich hatte genug.
    Nachdem alles vorbei war, saßen Sir Roderick und ich in dem kleinen Konferenzzimmer, wo der Deal ausgehandelt worden war. »Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Sie so ins Kreuzverhör nehmen musste. Ich hoffe, Sie denken nicht, dass ich auch nur einen meiner Sätze tatsächlich so gemeint habe.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich weiß, dass Sie nur das getan haben, was Sie für unseren Sieg tun mussten. Außerdem hatten Sie ja recht, ich habe keine Periode. Ich kann keine Kinder bekommen. Aber die eigentliche Sache ist, es macht mir nichts aus.«
    Damit hatte er nicht gerechnet. »Wie bitte?« sagte er. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann.«
    Ich versuchte es ihm zu erklären. »Sehen Sie, ich bin in den vergangenen zwölf Monaten geradewegs durch die Hölle gegangen. Die Operation, der Selbstmordversuch, die Berichte der Medien, was heute passiert ist, das war ein Hammerschlag nach dem anderen. Aber vorhin im Gerichtssaal, als Sie mit Ihrer Befragung fertig waren, fühlte ich mich zerschlagen und erschöpft, und
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