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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autoren: N. Singh
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so bescheuert bezogen? Das fühlt sich aber sehr unbequem an.«
    Aus blauen, tiefblauen Augen lachte er sie an. »Tatsächlich?«
    »He, das ist überhaupt nicht witzig…« Den Rest der Worte würgte sie ab, als sie sich nämlich umdrehte und sah, worauf sie lag: Flügel. Und was für schöne Flügel. Sattes Schwarz, das zu den Rändern hin elegant ins Indigo spielte, dunkelblau und morgengrau, bis schließlich zu den Schwungfedern, die weißgold schimmerten. Mitternachtsflügel. Unglaubliche Flügel. Und sie zerquetschte sie zu Brei. »Oh mein Gott! Ich erdrücke einen Engel. Hilf mir hoch!«
    Als sie ihm ihre Hand hinhielt, half er ihr, sich zu setzen. Der Schlauch in ihrem Arm verhinderte jede weitere Bewegung. »Wozu ist das denn?«
    »Um dich am Leben zu halten.«
    »Seit wann?«, fragte sie, und drehte sich so, dass sie über die Schulter schauen konnte. Alles, was er sagte, ging in einem weißen Rauschen unter. Denn sie hatte niemanden zerquetscht– nur sich selbst. »Ich habe Flügel.«
    »Die Flügel einer Kriegerin.« Mit dem Finger fuhr er sanft über die Spitzen, und ein angenehmes Gefühl durchrieselte sie. »Flügel wie Klingen.«
    »Oh«, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte. »Dann bin ich also wirklich tot.« Irgendwie erschien das einen Sinn zu ergeben. Schon immer hatte sie sich Flügel gewünscht, und nun hatte sie welche. Also musste sie tot und im Himmel sein. Sie blickte ihn scharf an. »Du siehst ganz genauso aus wie Raphael.« Er roch wie die See, klar und frisch, ein Geruch, nach dem sie sich verzehrte.
    Dann küsste er sie.
    Und er schmeckte viel zu echt, zu wirklich, um nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie zu sein. Als er von ihr abließ, war sie von seinem Gesichtsausdruck ganz verblüfft. So sehr, dass sie einen Moment lang sogar den Zauber ihrer Flügel vergaß. »Raphael?«
    Fiebrig blau flimmerten seine Augen, vor Anspannung traten seine Wangenknochen hervor. »Ich bin fürchterlich wütend auf dich, Elena.«
    »Gibt es sonst noch etwas Neues?«, stichelte sie, streichelte aber trotzdem beruhigend über die Wölbung seiner Flügel.
    »Ich bin unsterblich, und du versuchst mir das Leben zu retten, indem du dein eigenes aufs Spiel setzt?«
    »Schön blöd, was?« Sie lehnte sich an ihn und rieb mit ihrer Nase über seine. Stressentlastungsverhalten, wie albern, dass sie genau jetzt daran denken musste, aber so wurden diese kleinen Rituale genannt, mit denen sich Liebende gegenseitig Sicherheit gaben, wie mit einer Geheimsprache. Sie und Raphael hatten kaum damit begonnen, eine solche Sprache zu entwickeln, aber schon die Anfänge waren so tief und innig, dass sie vor der Heftigkeit beinahe zurückschreckte. »Ich konnte doch nicht zulassen, dass dir etwas geschieht. Du gehörst mir.« Was für eine Arroganz einem Erzengel gegenüber.
    Mit geschlossenen Augen lehnte er seine Stirn gegen ihre. »Du bist mein Verderben, Elena.«
    »Na ja, ein bisschen Aufregung brauchst du schließlich in deinem eintönigen alten Leben.«
    Diese Augen öffneten sich, blendeten sie mit ihrer Intensität. »Ja. Also wirst du nicht sterben. Dafür habe ich gesorgt.«
    Halb war sie davon überzeugt, dass diese Flügel nur Einbildung waren, aber als sie einen zweiten Blick aus den Augenwinkeln darauf warf, waren die mitternachtsblauen Schwingen immer noch da. »Wie, zum Teufel, ist es dir bloß gelungen, mir künstliche Flügel anzupassen, und das in nur…« Sie hielt inne. »Okay, die Wunden sind schon verheilt, wie lange also, eine Woche? Nein, länger.« Mit gerunzelter Stirn versuchte sie die Erinnerungsstücke zusammenzufügen. »Meine Knochen waren gebrochen… und mein Rückgrat?«
    Der Erzengel lächelte, noch immer lehnte seine Stirn an ihrer, und im Schutz seiner Flügel waren sie in ihrer eigenen Welt. »Das sind keine künstlichen Flügel, du hast ein Jahr lang geschlafen.«
    Elena schluckte. Blinzelte. Rang nach Atem. »Engel erschaffen Vampire, keine neuen Engel.«
    »Es gibt da ein– wie soll ich sagen– Schlupfloch.«
    »Schlupfloch? Eher eine riesige Höhle, wenn ich Flügel habe.« Mit aller Kraft hielt sie sich an ihm fest, das einzig Sichere in einer wandelbaren Welt.
    »Nein, ein winzig kleines Loch, kleiner als ein Nadelstich. In meiner gesamten Lebenszeit bist du der erste Engel, der erschaffen wurde.«
    »Da habe ich aber Glück gehabt«, flüsterte sie und fuhr ihm mit dem Finger den Nacken entlang, genoss sein wollüstiges Seufzen. In diesem Moment gab es nur sie beide. Sie war
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