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Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel

Titel: Ghetto-Oma: Ein Leben mit dem Rücken zur Tafel
Autoren: Frl. Krise
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Hintergrund, und es stank unglaublich nach garantiert giftigen Stoffen. An den Nachbarkopierern machten sich Studenten zu schaffen, und man traf die Lehrer sämtlicher umliegender Schulen. Leider musste man die Kopien selbst bezahlen, was dazu führte, dass ich meine Arbeitsblätter verteidigte wie eine Löwin ihre Jungen und sie nur zögernd und sparsam an meine Schüler, die sie gar nicht zu schätzen wussten, herausrückte.
    Die Situation wurde durch die Einführung von für alle zugängliche Kopierer an den Schulen nicht besser. Der jeweilige Benutzer musste nämlich vor Gebrauch eine Kopierkarte käuflich erwerben. Dies erboste mich. Hat man schon jemals einem Angestellten des Finanzamts zugemutet, sein Schreibpapier selbst mitzubringen? Oder muss eine Krankenschwester die Mullbinden für ihre Station von ihrem Lohn in der Apotheke kaufen?
    Heute ist das Kopieren – jedenfalls an meiner Schule – frei, und wir tun’s mit Freude.
    Außer es gibt mal wieder keinen Toner, oder eine nicht kopierfähige Folie verklebt alle Eingeweide des Geräts …

Nackt unter Wölfen
    Wandertag! Es ist kühl und windig. Gibt es eigentlich einen Paragraphen im Schulgesetz, der vorschreibt, dass an Wandertagen immer schlechtes Wetter sein muss? Warum scheint an solchen Tagen nie die Sonne?
    Ich bin kein Fan vom Wandern, aber mit pubertierenden Schülern sollte man die Nähe menschlicher Siedlungen möglichst meiden. Deshalb haben Kollege Wolf und ich beschlossen, einen kleinen einsamen See am Stadtrand zu umwandern. Unsere Schüler kommen so selten aus ihrem Kiez heraus – da tut ihnen ein bisschen frische Luft und viel Chlorophyll bestimmt gut.
    Karl Wolf und ich sind natürlich die Ersten, die pünktlich auf dem Schulhof, unserem verabredeten Treffpunkt, stehen. Wir teilen uns seit zwei Jahren die Klassenleitung. Leider haben wir nur eine gemeinsame Stunde mit unseren Schülern, die Klassenarbeitsstunde, in der wir hauptsächlich vergeblich versuchen, all das, was an Problemen aufgelaufen ist, abzuarbeiten.
    Wir warten und warten … Langsam und mit Verspätung trudeln unsere Schüler ein. Ist doch nur Wandertag, vallah, weshalb sich da abhetzen?
    Fuat und Sam, die Letzten, geben noch die vergessenen Einverständniserklärungen der Eltern ab. Die Anwesenheit aller jetzt versammelten Schüler ist rasch kontrolliert und auch ob jeder eine Fahrkarte hat. Karl macht noch eine Ansage: «Ihr wisst, wo es hingeht», sagt er, und alle stöhnen auf, als ob sie einen Marathonlauf durch die Sahara ohne einen Tropfen Wasser vor sich hätten. «Wir haben eine Strecke von gut fünf Kilometern vor uns; man kann sich unterwegs nicht verlaufen, höchstens mal einem Hund begegnen. Bitte die Hunde nicht beißen! Sonst wird ja hoffentlich nichts passieren!»
    Dann geht’s los. Am Wasser laufen wir in kleinen Gruppen, das heißt, von «laufen» kann keine Rede sein, meine vorgealterte Klasse pflegt zu schleichen. Ich finde das sehr rücksichtsvoll, da fällt das alte Frl. Krise nicht so unangenehm auf. Sämtliche kleineren Zwischenfälle wie Sichverlaufen (!), halb ins Wasser fallen, über Zäune springen, Blasenbildung wegen untauglichen Schuhwerks (Ballerinas), verzankte heulende Mädchen, mit Steinen beworfene Enten und ein fast verlorengegangenes Portemonnaie sollen hier keine Erwähnung finden.
    Am Ende des Rundwegs, kurz vor der Bushaltestelle, kommen wir an einer kleinen Liegewiese vorbei. Ein einziger Mann liegt dort, ein angetrunkener, nur mit langer Hose bekleideter «Penner», wie Fuat überflüssigerweise lautstark feststellt. Unsere Jungen und einige Mädchen stellen sich sofort in seine Nähe, um sich gegenseitig zu fotografieren. Karl und ich wedeln mit den Armen wie Verkehrspolizisten und versuchen, alle so schnell wie möglich in Richtung Haltestelle zu dirigieren. Das fehlte nämlich gerade noch, dass sich hier welche mit diesem Mann anlegen, der jetzt langsam aufsteht und dabei etwas hin und her torkelt.
    Aber unsere Klasse ist eine träge Masse, und es dauert, bis sie sich in Bewegung gesetzt hat. Da schreit Nesrin wie eine Verrückte: «Er ist nackt! Vallah, hat er keine Schäme, sich hier auszuziehen? Frl. Krise, gucken Sie, der Mann!»
    Die Entrüstung ist groß. Ich drehe mich um.
    Der Mann hat sich inzwischen vollkommen ausgezogen und läuft gerade in Richtung See. Er ist sehr dünn, und seine Pobacken sind wabbelig. Alle gucken mit aufgerissenen Augen hinter ihm her, lachen, schlagen sich die Hände vors Gesicht,
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