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Gewitter über Pluto: Roman

Gewitter über Pluto: Roman

Titel: Gewitter über Pluto: Roman
Autoren: Heinrich Steinfest
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oder andere
Restaurierung vorgenommen worden, allerdings so, wie man sich ein bißchen Nivea
ins Gesicht schmiert, wenn schon mal eine Dose davon in der Nähe steht, eben
ohne System. Pflege als Zufall, und zwar als wirklicher Zufall. So sehen die meisten Leute dann ja auch aus.
    Im Unterschied jedoch zu diesen bloß im Vorbeigehen und
Vorbeischmieren gepflegten Gesichtern besaß Montbards Villa einen
beträchtlichen Charme. Den Charme des Ungesunden. Das Ungesunde spiegelte sich
vor allem im bröckeligen Fassadenschmuck wider, gleich einer künstlerischen
Pose, die da sagt: »Richtig, ich bin krank. Doch was wäre schöner, als krank zu
sein?«
    Das Gebäude war umsäumt von hohen silbrigen Weißtannen, die den
schwindsüchtigen Charakter der Architektur noch verstärkten, ein milchiges
Licht produzierten, in dem alles gefangen schien. Die hohen Fenster waren zur
Straße hin von dunkelgrünen Fensterläden abgedeckt. Man hätte ebenso meinen
können, daß hier gar niemand mehr wohne. Am Tor fehlte die obligate Kamera, die
so gut wie jedes Haus dieser Gegend kennzeichnete, eine der vornehmsten der
Stadt.
    Ein Haus frei von Überwachungssystemen war so ziemlich das
Unheimlichste, was man sich in solcher Umgebung denken konnte. Denn entweder
lebten in einem derartigen Gebäude Gespenster, oder es lebten darin Leute, die
keinen Schutz nötig hatten, keine Kameras, sowenig wie scharfe Hunde oder eine
Alarmverbindung zur Polizei (und es bestehen ja durchaus Situationen, in denen
es einem Einbrecher, der von wehrhaften Hausbesitzern ertappt wurde, sehr viel
lieber wäre, die Polizei würde kommen und einen kontrollierten Gang der Dinge
ermöglichen).
    Nein, Claire Montbard brauchte tatsächlich weder Polizei noch Hunde.
Man wußte, wer sie war. Nicht etwa die Königin der Unterwelt, dazu waren ihre
Aktivitäten viel zu moderat. Sie handelte nicht mit Menschen, nicht mit
Rauschgift, nicht mit Müll, kaufte keine Politiker und ließ niemanden
liquidieren, aber sie hatte ihre Finger in einer großen Zahl von Transaktionen.
So wie jemand, der sich nicht zum Kochen, sondern nur zum Würzen herabläßt. Sie
machte keine illegalen Geschäfte, sondern investierte bloß in selbige: Sie
adelte diese Geschäfte. Wenn die großen Organisationen Claire einluden, sich an
einer bestimmten Sache zu beteiligen, dann nicht, weil man ihr Geld nötig
hatte, sondern weil man solcherart ihren Beistand erwarb, den guten Geist, den
sie in die Dinge zu legen verstand. Dinge, welche sodann etwas von ihrem
kriminellen Charakter verloren. Ein wenig wie bei einem gefälschten Bild, das
jedoch nicht vom Fälscher, sondern vom Künstler des Originals signiert wird.
Somit zwar nicht aufhört, eine Fälschung zu sein…aber was für eine Fälschung!
    Claire Montbard war keine Königin, eine Instanz sehr wohl.
    Der Umstand, daß sie auch an Privatpersonen Geld verlieh, schien
eher eine Art Hobby darzustellen. Eine kleine Leidenschaft. Immerhin wählte sie
ihre Schuldner genau aus. Sie hatte es einmal so ausgedrückt: »Ich gehe ja auch
nicht mit jedem ins Bett.« Daran konnte man erkennen, welch große Bedeutung sie
dem Geld beimaß, höchstwahrscheinlich dem Geld an sich, der Kommunikationskraft
des Geldes, seiner inneren Schönheit.
    Sie selbst wiederum verfügte über eine äußere Schönheit, ohne dabei
zu übertreiben. Sie war also weder eine überirdische Erscheinung, noch sah sie
mit ihren bald fünfundfünfzig Jahren wie ihre eigene Tochter aus. Sie war auf
eine kräftige Weise schlank und auf eine künstliche Weise hellgoldblond. Man
sah ihrer Haut an, wie wenig sie die Sonne leiden konnte. Claire war eine Frau,
die viel lieber im Schatten blühte. Sie besaß ganz wunderbare Augen, ausgesprochen
grau, mit einem leichten violetten Stich, violette Sternchen tief im Grau, so
ein samtiges Grau, ein Teppichgrau.
    Es versteht sich, daß Claire Montbard immer bestens gekleidet war,
aber auch in diesem Punkt verhielt sie sich moderat. Ein bißchen modern, ein
bißchen klassisch, ein bißchen streng und ein bißchen ausgelassen.
    Als sie jetzt erschien, da trug sie einen knielangen schwarzen engen
Rock, und es war ganz selbstverständlich, daß sie nur die untere Hälfte ihrer
Beine zeigte. Dazu eine Bluse in einer Unwetterfarbe und eine Perlenkette, in
die ein rötliches Kugelelement
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